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Die Strafe des Seth

Die Strafe des Seth

Titel: Die Strafe des Seth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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»Was hast du mir dazu zu sagen?«
    Der Priester wäre am liebsten auf der Stelle im Boden versunken. Völlig verstört trat er von einem Fuß auf den anderen. »Verzeih, Majestät, da muss den Handwerkern ein unverzeihlicher Fehler unterlaufen sein«, versuchte er sich dieser unangenehmen Situation zu entziehen, denn er wagte nicht, dem Pharao zu sagen, dass zur Zeit der Entstehung der Bilder keiner der dargestellten Prinzen die Insignien der Macht in Händen gehalten hatte.
    »Man soll sie bestrafen und sofort andere an ihre Stelle berufen«, wies Ramses-Sethherchepeschef gebieterisch an. »Sie sollen umgehend mit der Arbeit beginnen und meinen königlichen Brüdern, Osiris Ramses IV. und Osiris Ramses VI., sowie mir die Herrscherzeichen anfügen!«
    »Es wird alles so geschehen, wie du es befiehlst, Majestät«, antwortete der Tempelvorsteher demütig. Er verneigte sich tief vor dem Pharao und war froh, dass er so glimpflich davongekommen war.
    Ramses-Sethherchepeschef hingegen knurrte etwas Unverständliches als Erwiderung und setzte seinen Weg in das Innere des Heiligtums fort.
    Er begab sich ins Allerheiligste und betete zu seinem Vater. Er dankte ihm für sein Leben und den Thron der Beiden Länder. Etwas unwohl war Sethi dabei schon. Immerhin hatte er gegen seinen Vorgänger intrigiert. Doch selbst sein Vater, der große Ramses III., der mächtige und gefürchtete Pharao, der die Seevölker in ihre Schranken gewiesen hatte, wäre beinahe einer Intrige zum Opfer gefallen. Bis heute war sich Sethi nicht sicher, ob sein Vater eines natürlichen Todes gestorben war oder nicht.
    In der folgenden Nacht schlief Sethherchepeschef sehr unruhig. Schreckliche Träume plagten ihn. Das Gesicht seines Vaters erschien ihm. Es war drohend und bestürzt zugleich. Hinter ihm tauchten das seines Bruders, Osiris Ramses VI., und das seines Neffen auf, die ihn ebenfalls empört und betroffen musterten. Sie kamen so nahe an ihn heran, dass Sethi den Geruch der Balsamierungsflüssigkeiten riechen konnte, die ihm den Tod und das Jenseits näher brachten. Mit einem Mal verwischte sich das Ganze, und die Gestalt des Großen Gottes Seth tauchte vor ihm auf. Seths rot glühender Blick bohrte sich tief und schmerzhaft in sein Herz. Sethherchepeschef erschien es, als würden spitze, mit kleinen Widerhaken bestückte Pfeile in sein Fleisch eindringen. Feuer breitete sich in seinem Körper aus und verbrannte ihn von innen. Er öffnete den Mund, um zu schreien, doch es tropfte nur dickes schwärzliches Blut aus seinem Rachen.
    Als er endlich aus diesem Albtraum hochschreckte, war es stockfinster im Zimmer. Nur das matte Licht der Sterne fiel durch die kleinen Fensteröffnungen unterhalb der Decke.
    Schweißgebadet setzte sich er in seinem Bett auf und zog sich fröstelnd das feine weiße Leinentuch über die Schultern.
    Was hatte dieser Traum zu bedeuten?
    Er fand keine Antwort darauf und verdrängte das ungute Gefühl, das sich seiner bemächtigt hatte.
    Noch immer frierend stand er auf, band sich einen einfachen Schurz um die Mitte und schlurfte zu den Gemächern seiner Königin. Er vermutete zwar, dass Bintanat ihn wieder abweisen würde, so wie sie es in den vergangenen Nächten getan hatte, doch heute Nacht würde er sich sein eheliches Recht von ihr fordern, wenn nötig auch mit Gewalt.
     
    * * *
     
    »Sethherchepeschef hätte niemals den Thron besteigen dürfen!«, schimpfte Nehi, der sich mit Nesamun in einen abgelegenen Pavillon in seinem Garten in Theben zurückgezogen hatte, um mit dem Hohepriester des Amun-Re ungestört über Dinge zu reden, von denen niemand etwas erfahren durfte. »Es hätte nie geschehen dürfen, Nesamun!«
    »Aber was hätte ich denn machen sollen?«, verteidigte sich Nesamun, der sich angegriffen fühlte. »Hättest du dich an meiner Stelle geweigert, ihn zum neuen Herrn über Kemi zu krönen?«
    Resigniert zuckte Nehi mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, Nesamun. Sicherlich hätte ich genauso gehandelt wie du. Nach Horis Tod gab es bis auf den achtjährigen Sohn von Ramses’ zweiter Gemahlin keinen männlichen Nachfolger mehr. Jeder hätte die Macht an sich reißen können. Warum musste es ausgerechnet Sethherchepeschef sein? Ich bin überzeugt, dass er das alles geplant hat!«
    Entsetzt riss Nesamun die Augen auf. »Du meinst, er hat den Pharao und den Thronfolger ermorden lassen?«
    »Das wollte ich damit nicht sagen. Ich weiß aber, dass der Zweite Prophet des Re mit einem Mann namens Senbi in

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