Die Strafe des Seth
Kontakt gestanden hat. Dieser Senbi hat für Nacht das gestohlene Getreide in Syrien eingelagert. Und rein zufällig heißt mein Nachfolger Senbi.«
Nesamun verschlug es beinahe die Sprache. »Das ist ungeheuerlich!«, krächzte er empört. »Du meinst, dieser Senbi ist derselbe Mann wie jener, der mit Nacht zusammengearbeitet hat?«
Nehi nickte. »Ja, Nesamun, die Annahme liegt nahe. Weißt du übrigens, wer unser neuer Wesir außerdem ist?«
»Nein, ich kenne ihn nicht«, erwiderte Nesamun. »Sollte ich?«
»Hast du ihn denn nicht wiedererkannt?« Ungläubig blickte Nehi zu seinem Gast.
»Ich wüsste nicht, woher ich ihn kennen sollte.«
»Entsinnst du dich an jene Verhandlung vor acht Jahren?«, half Nehi ihm auf die Sprünge. »Ein thebanischer Kaufmann hatte versucht, einen unliebsamen Konkurrenten mittels Gift in den Schönen Westen zu schicken.«
Nesamun kräuselte grübelnd die Stirn. Plötzlich dämmerte es ihm, wovon Nehi sprach, und er wurde blass und hielt sich mit beiden Händen an den kunstvoll geschnitzten Armlehnen seines Stuhles fest. »Senbi!«, flüsterte er kaum hörbar.
»Genau, mein Freund, und der Name der Dienerin, die damals den Mord für ihn begehen sollte, lautet inzwischen Meritusir. Sie ist die Zweite Prophetin des Osiris und die Gemahlin deines Sohns.«
»Aber ... aber ...«, stotterte Nesamun verstört, »... wurde Senbi nicht zum Tode verurteilt?«
»Allerdings. Er konnte jedoch rechtzeitig fliehen, wurde nie aufgegriffen und ist auch nie wieder nach Kemi zurückgekehrt. Nun plötzlich ist er wieder da und erhält sogleich den höchsten Posten nach dem Pharao.«
»Das ist wider die Maat«, sagte Nesamun mit noch immer belegter Stimme. »Dieser Mann wurde wegen Vergewaltigung und Mordversuch verurteilt. So etwas darf nicht in Vergessenheit geraten.«
»Das stimmt, Nesamun«, pflichtete Nehi ihm zu, »aber der Herr der Beiden Länder kann sowohl hart strafen als auch Gnade walten lassen.«
»Aber nicht bei solchen Verbrechen!«
»Er ist der Herr über Leben und Tod.«
»Aber auch der Verfechter der Maat!«
»Richtig, doch das scheint unseren neuen König wenig zu interessieren. Ich bin mir fast sicher, dass er auch Nacht begnadigen wird, der durch mich wegen Hochverrats zum Tode verurteilt worden wäre, wäre Ramses nicht vorher zu den Göttern gegangen.«
Nesamun griff nach seinem Becher. Seine Hand zitterte leicht. »Was habe ich bloß getan«, murmelte er bestürzt und trank den Inhalt in einem Zug aus. »Wenn ich das alles gewusst hätte, wäre Ramses-Sethherchepeschef niemals in Opet-sut gekrönt worden!«
»Dich trifft keine Schuld, Nesamun, auch wenn sich das vorhin so angehört haben sollte«, versuchte Nehi seinen Freund zu beruhigen. »Doch ich frage mich, warum Chaemwaset nicht eingegriffen hat? Er ist mit Bakenwerel verheiratet. Ihm hätte der Doppelthron ebenfalls zugestanden!«
Der Priester lächelte matt. »Er konnte nicht. Er war in Buhen und hat es nur mit Mühe und Not geschafft, rechtzeitig in Abydos zur Beisetzung zu erscheinen. Der Befehl stammte von Sethherchepeschef selbst. Sethi wollte, dass Chaemwaset sich persönlich von der Lage im Süden überzeugt und danach umgehend wieder zurückkehrt, um an Ramses’ Beisetzung teilzunehmen. Chaemwaset brach sofort auf, doch als er nach Theben kam, fand er nur noch meine Nachricht vor, dass die Bestattung eine Woche früher als geplant stattfinden würde.«
»Das ist Sethherchepeschefs Werk«, donnerte Nehi. Die Wut stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. »Ich hatte davon keine Ahnung. Sethherchepeschef hat nach seiner Übernahme der Regentschaft in Horis Abwesenheit sowohl mich als auch Nubchesbed völlig von den Regierungsgeschäften ferngehalten. Wir hatten keinerlei Möglichkeit, ihm entgegenzuwirken, hätten wir nicht dastehen wollen, als hätten wir uns gegen ihn verschworen.« Wütend schlug er mit der Faust auf den Tisch, sodass die beiden Becher bedrohlich wackelten. »Doch Chaemwaset kam am Morgen der Beisetzung in Abydos an. Warum hat nicht er die Mundöffnung durchgeführt und sich damit für seine Thronfolge legitimiert?«
»Ich habe ihn das am nächsten Tag ebenfalls gefragt. Er meinte, sein Onkel wäre nach Horis Tod der rechtmäßige Regent, und er würde daran nicht rütteln.« Nesamun griff nach dem Krug und schenkte sich einen weiteren Becher Wein ein. »Ich glaube, Chaemwaset wollte das Land nicht noch tiefer in das Chaos stürzen. Hätte er sich mit Sethi um die Thronfolge
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