Die Strafe des Seth
ihm! Das erledige ich auf meine Weise.« Er lachte boshaft. »Immerhin bin ich der mächtigste Mann nach dem Pharao.« Mit einer Handbewegung gab er seinen beiden Gehilfen zu verstehen, dass sie sich zurückziehen durften.
Nachdem Raija und Abischemu verschwunden waren, schlenderte Senbi hinaus in den wundervollen Garten seines neuen Anwesens in Per-Ramses, welches er vom Pharao als Geschenk erhalten hatte.
Duftende Blumenrabatten mit Lilien, Mohn und Rosen, hohe, Schatten spendende Oleanderbüsche und Spaliere von Wein, an denen pralle saftige Trauben hingen, waren wohlgepflegt. Der Rasen hatte ein sattes Grün und wurde jeden Abend von den Gärtnern gewässert. Es gab einen Teich, in dem sich Fische mit silbrigen Rücken tummelten, Akazien und Sykomoren, die zum Verweilen einluden. – Ja, es hatte sich gelohnt, dass er Sethherchepeschef bei seinem Machtkampf geholfen hatte. Der Prinz war nun Pharao, und er, der Sohn von syrischen Einwanderern, bekleidete das höchste Amt im Land. Die Götter, die sich dereinst von ihm abgewandt hatten, waren ihm wieder wohlgesonnen.
Wehmut überkam ihn, wenn er daran zurückdachte, dass er die vergangenen acht Jahre außerhalb Kemis hatte verbringen müssen.
Nachdem ihm seine Gehilfen von dem missglückten Attentat auf den syrischen Holzhändler Ibiranu berichtet hatten, hatte er überstürzt aus den Beiden Ländern fliehen müssen, um einem drohenden Todesurteil zu entgehen. Er war ein angesehener thebanischer Kaufmann gewesen, der die höchsten Kreise mit seinen kostbaren Waren beliefert hatte. Von einem Moment auf den anderen war er zu einem gesuchten Verbrecher auf der Flucht geworden. Erst viel später hatte er erfahren, dass er von seinem Haushofmeister Amunmose an seinen Rivalen verraten worden war.
Wie es ihm und seinem kleinen Gefolge überhaupt hatte glücken können, den Häschern des Pharaos zu entgehen, war Senbi bis heute ein Rätsel. Vielleicht war es der Fingerzeig eines gnädigen Gottes gewesen, der ihm noch eine letzte Chance hatte einräumen wollen.
Unbehelligt war er in Byblos angekommen und hatte sich dort mit dem Wenigen, was er bei seiner überstürzten Flucht hatte mitnehmen können, eine neue Existenz aufgebaut. Nur mit dem Land am Nil hatte er keinen Handel mehr treiben können, ein Umstand, der Senbi stets betrübt hatte.
Obwohl Senbi syrischer Abstammung war, hatte er sich fast täglich nach dem Leben spendenden Fluss gesehnt, der während der Zeit der Überschwemmung tosend dahinströmte und über seine Ufer trat, bis er sich schließlich wieder in sein Bett zurückbegab und in der Zeit der Ernte fast träge und langsam von Süden nach Norden kroch. Er hatte die warmen Abende in seinem wunderschönen Garten in Theben vermisst, die Bootsfahrten in den Strahlen der sinkenden Sonnenbarke, wenn der Nil wie pures Gold schimmerte. Wehmut hatte ihn ergriffen, wenn er sich des fröhlichen Lachens der Frauen und Mädchen erinnerte, die leicht bekleidet durch die Straßen und Gassen der alten Königsstadt streiften, wenn er an den majestätischen Tempelkomplex des Amun-Re zurückdachte, der weithin sichtbar alles überragte, was sich innerhalb der Mauern des hunderttorigen Thebens befand. Er hatte die rauschenden Feste vermisst, zu denen er stets geladen worden war, oder die prachtvollen Prozessionen, die alljährlich zwischen Opet-sut und Opet-resut stattfanden. Täglich hatte er sich zurück an das Ufer des Flusses gesehnt, zurück in das Land, das seine Heimat war. Senbi war kein Kemiter; seine Eltern waren fremdländischer Abstammung. Dennoch war es in all den Jahren für ihn der schlimmste Gedanke gewesen, außerhalb der Beiden Länder sterben zu müssen und bestattet zu werden.
Er hielt auf den Teich zu und ließ sich bequem im Gras nieder, um den lauen Abend im Delta zu genießen. Ein dienstbeflissener Untergebener eilte herbei und brachte ihm einen Krug mit gekühltem Wein aus den Oasen und dazu kleine, mit Honig verfeinerte Gebäckstücke, Datteln, Trauben und Granatäpfel.
»Sage meiner Dienerin, dass sie kommen und für mich tanzen soll!«, befahl Senbi ihm in herrischem Ton.
Der Mann verneigte sich und verschwand lautlos, wie er gekommen war.
Senbi hingegen erinnerte sich, wie alles damals begonnen hatte. Er hatte über seinen Handelsauflistungen gesessen, als es mit einem Mal an der Tür seines Arbeitszimmers geklopft hatte ...
* * *
»Herein!«
Die Tür ging auf, und Senbis Hausverweser trat mit einer Verneigung in den Raum.
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