Die Strafe des Seth
beschwichtigte Hapu ihn. »Als man mir deinen Namen sagte und dich mir empfahl, ahnte ich nicht, mit wem ich es zu tun bekommen würde. Ich habe dich aber sofort wiedererkannt. Es ist zwar schon eine ganze Weile her, doch so eine Verhandlung vergisst man nicht. Zudem war auch ich, wenn auch nur ein Mal, Kunde bei dir.«
»Du willst behaupten, dass du mich kennst?« Fahrig fuhr sich Senbi über seinen gepflegten Kinnbart, während er in seinen Erinnerungen versuchte, den Mann, der ihm gegenüberstand, wiederzuerkennen.
»Allerdings. Aber sorge dich nicht. Niemand wird erfahren, dass ich dich gefunden habe. Für meine Landsleute bleibst du tot und begraben. – Wie lautet deine Antwort?«
»Nicht anders als zuvor.« Senbi setzte eine gelassene Miene auf. »Ich bin reich und nicht auf das, zugegeben, großzügige Angebot deines Gebieters angewiesen. Warum fragst du nicht einen anderen Händler?«
»Weil ich dich äußerst geeignet finde«, entgegnete Hapu schlicht.
Senbi wurde hellhörig. »Wie darf ich das verstehen?«
»Du hast lange in den Beiden Ländern gelebt. Dir sind unsere Sitten und Gebräuche bekannt. Zudem beherrschst du unsere Sprache, was in der Korrespondenz von Vorteil sein dürfte.«
»Und es stört dich nicht, dass ich für deine Leute ein Verbrecher bin?« Fragend zog Senbi eine Augenbraue in die Höhe.
»Wer weiß das schon«, gab Hapu zurück und zuckte mit den Schultern.
Nun stand für Senbi fest, dass etwas an der Sache faul war. »Wer, sagtest du, ist noch mal dein Herr?«
Hapu schmunzelte. »Ich sagte gar nichts. Zudem ist das nicht von Belang.«
»Für mich schon«, gab Senbi betont beleidigt zurück und griff zu einer List. »Wenn ich für deinen namenlosen Gebieter den Verwalter spielen soll, fordere ich eine angemessene Gegenleistung.«
»Werde jetzt nicht ausverschämt«, empörte sich Hapu und schnappte nach Luft. »Hast du nicht gesehen, welches Vermögen du für deine Arbeit erhalten wirst?«
»Schon, doch ich will etwas mehr.« Senbi faltete die Hände vorm Gesicht und blickte seinem Gegenüber fest in die Augen, der geräuschvoll die Luft einsog und seinem Blick widerstand. »Ich fordere völlige Straffreiheit, sollte ich wieder nach Kemi zurückkehren.«
Hapu schluckte schwer und stieß die Luft wieder aus.
Senbi sah ihm an, dass er angestrengt überlegte, was er ihm für eine Antwort geben sollte. Allein der Umstand, dass er darüber nachzudenken schien, machte Senbi klar, dass sein Ansinnen zwar ungeheuerlich, aber nicht unmöglich war.
Schließlich nickte Hapu. »Ich denke, das ließe sich einrichten. Du hast mein Wort, dass ich deinen Wunsch meinem Gebieter vortragen werde. Du hörst von mir.«
Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ den Arbeitsraum.
Senbi saß wie von einem Blitz des Großen Gottes Seth getroffen da und glaubte nicht, was Hapu soeben zu ihm gesagt hatte. Nun stand für ihn eindeutig fest, dass es sich um eine sehr mächtige Persönlichkeit handeln musste, die dem Herrn der Beiden Länder auf keinem Fall wohlgesonnen war. Ramses selbst hatte das Todesurteil unterschrieben und würde es niemals aufheben, denn das verstieße gegen die göttliche Maat. Wer also war dieser mächtige Mann, der sich das Recht herauszunehmen schien, einem verurteilten Verbrecher Straffreiheit zu gewähren?
»Jemand, der sich gegen den Pharao gewandt hat und ihn stürzen will, um selbst nach Krummstab und Geißel zu greifen«, beantwortete er sich selbst seine Frage und erschauerte ...
* * *
Wochen später hatte Senbi die Zusage erhalten, dass ihm sein Wunsch zu einem späteren Zeitpunkt gewährt werden würde. Für Senbi war das die eindeutige Bestätigung, dass er mit seiner Vermutung richtig lag. Dennoch hatte er nicht damit gerechnet, dass sein Auftraggeber Prinz Sethherchepeschef persönlich war, Sohn des großen Ramses III., Bruder des zu Osiris gegangenen Pharaos Ramses VI. und Onkel des regierenden Herrschers, Ramses VII.
Nachdem ihm das bekannt geworden war, hatte er dem machthungrigen Sethi noch ein paar weitere Zugeständnisse abgerungen. Zudem hatte Senbi für sein Schweigen und seine Mithilfe das höchste Amt in den Beiden Ländern gefordert, und der Prinz hatte dem zugestimmt.
Warum also sollte Senbi das alles für eine Frau aufs Spiel setzen, an der Ramses-Sethherchepeschef so viel lag, dass er gegen seinen Vorgänger Intrigen angezettelt hatte? Sollte dieses Miststück ruhig weiterleben; ihre Strafe wartete bereits auf sie. Schon
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