Die Strafe - The Memory Collector
nicht zu erkennen, ob sie log. Er hob ihr Telefon auf.
Eine neue Nachricht.
»Was ist das?«
Austausch: Kanans Frau und Sohn gegen Slick. Stanford Campus. Oben am Oval, 9 Uhr.
Er stand auf, sein Herz raste. Er las es noch einmal. »Wer hat Ihnen das geschickt?«
»Ian, ich muss die Polizei alarmieren. Wir dürfen keine Sekunde mehr verschwenden.«
Er streckte ihr das Handy hin, so dass sie das Display sehen konnte. »Wer hat das geschickt?«
Oben klopfte jemand an die Hintertür. Er blickte die Stufen hinauf.
»Bitte, Ian. Das ist die einzige Möglichkeit, wie Sie Ihre Familie zurückbekommen. Sie müssen …«
Er kniff sie heftig in die Nase, und sie riss reflexartig den Mund auf. Sofort stopfte er ihr den Gummiball hinein. Mit dem Telefon in der Hand stürmte er die Treppe hinauf bis zu einem Lagerraum. Sie gab undeutliche Laute von sich, rief sicher nach ihm. Er schloss die Kellertür, und das Geräusch verstummte.
Er zögerte kurz und schaute sich um. Sportartikel, dazu ein Gewehr mit Zielfernrohr und Faustfeuerwaffen auf dem Schreibtisch. Erneut klopfte es an der Tür.
»Sarge, lass mich rein.«
Erleichterung und Erregung durchströmten ihn. Er legte das Telefon auf den Schreibtisch und warf den Türriegel zurück. Als er öffnete, fiel das Licht auf das willkommene Gesicht von Nico Diaz.
»Schön, dich zu sehen, Nico.«
Vor Kälte schlotternd trat Diaz ein. »Sperr ab.«
Kanan schob den Riegel vor und deutete mit dem Kinn auf die Waffen. »Sind das deine?«
»Deine.« Nico reichte Kanan eine prallvolle Tüte von Wendy’s. »Und das hier auch. Hau rein. Du brauchst Treibstoff.«
Sobald er die Tüte geöffnet hatte, überfiel Kanan
ein fürchterlicher Heißhunger. Wie lang hatte er schon nichts mehr gegessen? Hastig fingerte er sich einen Cheeseburger heraus und biss hinein. Es schmeckte fantastisch.
Diaz fing seinen Blick auf. »Sarge, ich hab nachgedacht. Vielleicht hast du die Probe im San Francisco General Hospital gelassen. Das sollten wir nachprüfen.«
»Klar, Diaz, machen wir.«
Er konnte sich nicht erinnern, im Krankenhaus gewesen zu sein, aber wenn Diaz das sagte, glaubte er ihm.
Wie ein Wolf schlang er den Hamburger in sich hinein. Er klatschte die Tüte auf den Schreibtisch, riss sie auf und stopfte sich eine Handvoll Pommes in den Mund. Er wusste nicht, wann er zuletzt so einen Hunger gehabt hatte. Schließlich zog er den Deckel von dem großen Becher Kaffee, den Diaz mitgebracht hatte, und trank einen kräftigen Zug.
»Danke, Kumpel«, sagte er. »Das brauch ich jetzt.«
Diaz blickte zum Schreibtisch. »Wo kommt denn das Telefon her?«
Kanan fixierte das Handy. »Keine Ahnung.« Er klopfte sich auf die Jeanstasche. »Aus meiner Hose vielleicht.«
Diaz griff danach und las, was auf dem Display stand. »Mann, Sarge - schau dir das an.«
Kanan wischte sich die Hände ab und nahm es. Plötzlich hatte er weiße Blitze vor Augen. »Scheiße.«
Sie starrten sich an.
Diaz packte das Gewehr. »Mein Pick-up steht hinten.«
Kanan schnallte sich die Knöchelscheide mit dem Messer
um. Er trank den Kaffee leer und rammte sich die HK-Pistole in den Hosenbund.
»Los, jetzt holen wir sie uns.«
Der Chevy Tahoe näherte sich über den Palm Drive dem Zentrum des Stanford Campus. Jo spähte durch das Fenster. Zu beiden Seiten säumten Palmen die Straße. Dahinter waren die dunklen Konturen von Unterholz, Eichen und gewaltigen Eukalyptusbäumen zu erkennen. Das riesige Universitätsgelände war ursprünglich eine Farm gewesen und noch immer zum großen Teil unbebaut.
»Nicht so schnell«, mahnte Calder.
Folgsam nahm Vance den Fuß vom Gaspedal. Er war ein unruhiger Fahrer, der zu überhöhtem Tempo neigte. Sie hatten es in Rekordzeit von San Francisco hierher geschafft.
Auf dem Palm Drive herrschte nur leichter Verkehr. Es war Freitagabend, und die meisten Studenten waren woanders: Sie lernten, feierten, verloren ihre Unschuld und erfanden fabelhafte neue Technologien, um die Welt in die Luft zu jagen. Niemand achtete auf den blauen Chevy Tahoe, der zum Campushof fuhr.
Vorn auf dem Beifahrersitz zappelte Calder ächzend herum, starrte auf die anderen Autos oder wandte sich nach hinten, um Jo im Auge zu behalten. Im blauen Schein des Handydisplays wirkte ihr Gesicht angespannt. Gier und Nervosität gewannen die Oberhand. Sie kämmte sich mit den Fingern durch das glänzende Haar und legte frischen Lippenstift auf.
Zu dumm, dass der hässliche Bügeleisenfleck auf der Stirn
Weitere Kostenlose Bücher