Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Strafe - The Memory Collector

Titel: Die Strafe - The Memory Collector Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Gardiner
Vom Netzwerk:
Leuchtturms. Der Wagen kippte und fiel um. Die gewaltige Kraft des Abgasstrahls riss ihn nach oben. Drei Meter, fünf Meter weit schwebte er wie in Zeitlupe durch die Luft.
    Die Scheinwerfer rotierten wie die Trommel einer Waschmaschine.
    »Ian«, rief Misty.
    »Dad!«, schrie Seth. Dann wandte er sich an Jo. »Anhalten, anhalten.«
    Die Geschwindigkeit des Pick-ups war so hoch, dass er auf halber Strecke zum Rollweg auf dem Erdstreifen landete. Umwirbelt von einer Staubfahne, prallte er seitlich auf und drehte sich mit kreiselnden Reifen aufs Dach. Durch seinen großen Schwung wurde er wieder hochgerissen, überschlug sich erneut und taumelte weiter bis zum Rollweg.
    Jo erreichte das Terminal und kam schlitternd hinter dem Heck einer MD-80 zum Stehen. Sie hörte, wie Seth und Misty gegen die Seitenwand des Wagens rumpelten.
    Der Pick-up kippte noch ein letztes Mal um, dann bewegte er sich nicht mehr.
    »Dad!«

    »Lassen Sie uns raus«, ächzte Misty.
    Jo sprang heraus, hastete nach hinten und öffnete die Hecktür. Auf dem Asphalt waren Metallteile und Glasscherben verstreut. Aus der zerbeulten Kühlung des Pick-ups stieg Dampf auf. Er lag auf der Seite neben dem Triebwerk einer 757.
    Aus den Fenstern der riesigen Maschine starrten hundert verblüffte Gesichter.

KAPITEL 39
    Blinzelnd versuchte Kanan, den Blick scharf zu stellen. In seinem Kopf drehte sich alles. Seine Brust fühlte sich an, als hätte sie einen Schlag mit dem Schmiedehammer abbekommen. Im rechten Bein pochte es, und der rechte Arm reagierte nur träge, als er ihn bewegte. Vor sich sah er die zertrümmerte Windschutzscheibe eines Pick-ups.
    Er hörte Reifenkreischen, Hupen, seinen eigenen Puls und das Dröhnen von Flugzeugturbinen im Startschub. Auf seiner Schulter ruhte ein Gewehrlauf. Er war heiß.
    Irgendwo stöhnte eine Frau.
    Hinterhalt. Simbabwe. Slick.
    »Ian …«
    Er nahm das Gewehr, öffnete den Gurt und schob sich hoch. Die Stimme der Frau klang vertraut. Er blutete. Durch das Schiebedach des auf der Seite liegenden Wagens war dunkler Himmel zu erkennen. Sie befanden sich auf dem Rollfeld eines größeren Flughafens. Chaos. Kabul. Sprengsatz. Er drückte den Gewehrschaft an die Schulter und zielte durch das Schiebedach.
    »Ian, hol mich raus«, wimmerte die Frau.

    Er drehte den Kopf. Riva Calder hing seitlich im Sicherheitsgurt des Fahrersitzes. Sie durchbohrte ihn mit ihrem Blick. »Da draußen sind die Entführer. Schieß.«
    Sei bereit, jeden zu töten, dem du heute begegnest. Er wandte sich ab und hielt das Auge an das Zielfernrohr. Alles war verschwommen. Aus den Haaren sickerte ihm das Blut übers Gesicht.
    Auf der anderen Seite des Rollfelds standen drei Menschen neben einem Chevy Tahoe. Eine Frau in westlicher Kleidung. Sie hatte lange dunkle Locken. Noch eine Frau. Und ein junger Mann.
    »Mach schon, Ian«, zischte Riva. »Du kannst nicht richtig sehen. Das sind sie, die Entführer.«
    Die Dunkelhaarige griff nach der Hand der Frau neben sich. Sie riefen etwas, aber das Dröhnen der Triebwerke übertönte die Worte. Wieder blinzelte er. Er hatte freie Schussbahn. Er konzentrierte sich und atmete ein.
    »Schieß, Ian. Schieß. Schau ihn dir an, den Kerl. Er blutet, anscheinend hast du ihn vorher schon erwischt. Ian, wir sitzen hier in der Falle. Sie dürfen nicht näher kommen.«
    Kanan spähte durch das Zielfernrohr. Blinzelnd fixierte er die Leute jenseits des Rollfelds.
    »Willst du wirklich, dass ich abdrücke?« Er nahm die HK-Pistole in der linken Hand hoch und zielte auf Rivas Gesicht. »Wenn du mich noch mal aufforderst, auf meine Familie zu schießen, dann drück ich wirklich ab.«
     
    Den Blick auf den zerschmetterten Pick-up gerichtet, hoben Jo, Misty und Seth die ineinandergehakten Hände. Atemlos warteten sie.

    Auf der anderen Seite des Rollfelds warf Ian Kanan das Gewehr durch das Schiebedach und kroch aus dem zerstörten Wagen.
    Misty stieß einen Schrei der Erleichterung aus.
    »Es geht ihm gut.« Seths Schultern sackten nach unten. Sein Tank war nun endgültig leer, und die Beine gaben unter ihm nach. Vorsichtig ließen ihn Jo und Misty nach unten gleiten und lehnten ihn an das Hinterrad des Tahoe. Er war blass und einem Schockzustand nah, aber in seinen Augen lag ein tiefes Leuchten.
    Vom entfernten Ende der Startbahn näherten sich Feuerwehrwagen, deren Lichter und Sirenen die Nacht zerhackten. Misty benutzte einen Streifen, den sie von ihrem Sweatshirt gerissen hatte, als Druckverband für Seths Schulter.

Weitere Kostenlose Bücher