Die Strafe - The Memory Collector
Haaren und lehnte sich nach unten, um ihm die Lippen ans Ohr zu drücken. »Ich tu dir weh, wenn du nicht aufhörst.« Er machte schmatzende Geräusche an Seths Haut. »Aber zuerst tu ich deinem Hund weh. Mit einem Schraubenzieher.«
Wie Wasser sickerte die Kraft aus Seth heraus. Auf seiner Brust lastete ein dunkles Gewicht, Tränen stiegen ihm in die Augen.
Der Mund unter der Sonnenbrille lächelte. Das Zahnfleisch glänzte feucht und rosa. Der Glatzkopf wandte sich an den pickeligen Typen. »Ruf an.«
Ohne Brille wirkte das Zwielicht trüb und verwaschen.
Der Pickelige hing an seinem Handy. »Kannst kommen.«
Der Glatzkopf wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn. »Du weißt, worum’s hier geht?«
Vorn auf der Straße bremste ein schwarzer Lieferwagen mit quietschenden Reifen. Ein Mann sprang heraus und stakste auf den Wald zu. Ein magerer Weißer, der aussah wie ein Gangsterrapper. Oder wie die Darstellung eines Gangsterrappers auf MTV. Blaues Bandana um die Stirn, rollende Schultern, und aus der Tasche seiner Hängejeans baumelte eine Kette. Die Mickymausausgabe eines Zuhälters.
Der Glatzkopf beäugte ihn, als hätte er sich für einen Umzug maskiert. Hatte ihn offenbar als Schwachkopf einsortiert. Als gefährlichen Schwachkopf.
Dann wandte er sich wieder Seth zu. »Du weißt, wo dein Vater ist? Was er macht?«
Seth schwieg.
»Du kannst es dir aussuchen. Willst du, dass dir was passiert oder dass du verschwindest?« Er musterte Seths Gesicht und verzog den Mund erneut zu einem feuchten Lächeln. »Na also.« Er schaute die anderen an. »Ab mit ihm.«
KAPITEL 2
Der Wind pfiff über das Wasser. Chuck Lesniak rieb sich mit einem Taschentuch über den Nacken. Am Flussufer stand schulterhoch das grüne Gras. Es schwankte in der Brise und flüsterte ihm zu. Letzte Chance .
Der erste Offizier marschierte über den Kai und trug eine Kühlbox voller Bier zum Jetboot. Es war ein feuchter Märzabend, und dem ersten Offizier klebte das verblichene Manchester-United-Trikot am Rücken. Der Skipper des Jetboots trug Epauletten und eine Seekapitänsmütze mit goldener Borte, obwohl sie sich über tausend Kilometer weit im Landesinneren befanden. Er war ein gedrungener Sambier mit einem Lächeln so groß wie ein Straußenei.
Er winkte Lesniak zu. »Bitte kommen Sie an Bord.«
Er hatte einen starken Tonga-Akzent. Seine Herzlichkeit wirkte echt. Auf seinem Namensschild stand WALLY. Anscheinend konnte er Lesniaks Nervosität spüren. Chuck war der einzige Passagier bei dieser Fahrt auf dem Sambesi. Er hatte für einen Privatausflug zur Cocktailstunde bezahlt.
»Nur zu. Das Boot ist wirklich solide gebaut. Ich zeige es
Ihnen. Der Motor hat dreihundertfünfzig PS und stammt von Chevrolet.«
Captain Wally deutete Lesniaks Nervosität falsch, aber das war ihm ganz recht. Er nickte. »Made in USA. Klingt beruhigend.«
Er ging an Bord. Das Deck schaukelte unter ihm, und das Fernglas schwang an dem Riemen um seinen Hals hin und her. Das auffrisierte Rennboot wurde Jetboot genannt, um die Touristen davon zu überzeugen, dass sie neben den gekühlten Getränken auch noch ein Extremsporterlebnis bekamen. Er tastete nach seiner Hosentasche, um sich zu vergewissern, dass das Fläschchen sicher verstaut war. Mehr an Flaschen brauchte er heute Abend nicht. Wieder fegte der Wind durchs Gras. Bald ist es so weit.
Der erste Offizier machte die Leinen los. Captain Wally warf den Motor an, der donnernd erwachte und Abgase ausspuckte. Er drückte den Gashebel und legte mühelos ab. Hinter dem Boot schäumte weißes Wasser.
Der Kapitän hob seine Stimme über das Gurgeln des Motors. »Bitte setzen Sie sich doch in den Bug, dort ist es kühler. Und nehmen Sie sich was zu trinken.«
Lesniak schob sich zur Spitze des Bootes und griff sich ein Bier aus der Kühlbox. Ein Bier konnte nicht schaden. War vielleicht sogar gut für die Nerven. Letzte Chance auf einen Volltreffer.
Er musste Ruhe bewahren. Wenn er das hier hinkriegte, hatte er ausgesorgt. Dann konnte er nach Kalifornien abhauen. Von Südafrika hatte er die Schnauze voll. Er war nur wegen der Firma nach Johannesburg gezogen, und jetzt war sein Job beim Teufel. Er schnaubte. Von wegen Job. Das war
keine Arbeit, sondern ein Abenteuer mit Malaria-Garantie. Auf Chira-Sayf und die ganzen leuchtenden Versprechungen konnte er pfeifen. Er hatte sich nie an Südafrika gewöhnen können, auch wenn Jo’burg aussah wie Dallas, alle Leute irgendwie Englisch redeten und er einen
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