Die Strafe - The Memory Collector
auf ein Luftloch und sackte in lautlosem Fall durch die schaukelnde Amtosphäre. Stef umklammerte ihre Knie. Aus dem Cockpit hatte sie keine Meldungen gehört. Und von der Besatzung schien keiner etwas gemerkt zu haben. Allen stritt mit dem betrunkenen Banker, und Charlotte beobachtete die Auseinandersetzung.
Alles wirkte so klar wie frischer Schnee. Wenn sie nicht sofort etwas unternahm, waren sie erledigt. Die Piloten konnten zwar Sauerstoffmasken aufsetzen, aber die Hitze wurde bestimmt bald unerträglich. Außerdem nützte es wenig, wenn sie den Jet sicher landeten, und alle hier im Fluggastraum waren tot. Kohlenmonoxid war farblos und geruchlos. Und es wurde bei Bränden freigesetzt.
Auf der gottverdammten 747 war ein Feuer ausgebrochen. Blauauge hatte es bemerkt und versucht, die anderen zu warnen. Er hatte versucht, das Flugzeug zu retten, sie hatte ihm keine Beachtung geschenkt, und die zwei Schläger in der Economyclass, diese zwei Spinner, hatten Blauauge davon abgehalten, sie alle zu retten.
Sie rang nach Atem, aber ihre Lunge wollte sich einfach nicht ausdehnen. Die Luft um sie herum war klar und glühend heiß. Tränen der Panik stiegen ihr in die Augen.
Niemand hatte etwas mitbekommen. Das Gas hatte sie schon betäubt. Blauauge war außer Gefecht. Jetzt lag es an ihr.
Sie hatte schreckliche Angst, aber schließlich war sie dafür ausgebildet worden. Sie war dazu fähig.
Sie erhob sich und deaktivierte die Verriegelung der Tür.
Auf der anderen Seite des Gangs rief Charlotte: »Stef, was treibst du da?«
Sie musste es schaffen, bevor die 747 zehntausend Fuß erreichte, sonst würde der Druck im Fluggastraum die Tür in der Öffnung verkeilen.
»Stef, nein !«
Energisch zerrte sie den Hebel nach oben, um die Tür zu öffnen.
Mit einem Donnern und einem Wind, als wäre Gott vom Himmel herabgefahren, um sie alle zu zerschmettern, ruckte die Tür nach innen. Zwei Zentimeter, vier, zehn. Schlagartig verwandelte sich die Luft im Fluggastraum in gefrorenen Nebel, und während Charlotte noch kreischte, schoss bereits alles, was nicht niet- und nagelfest war, auf den Ausgang zu, als würde es von einem Magneten direkt in die Hölle gesaugt. Unaufhaltsam bewegte sich die Tür nach innen und oben. Im Flugzeug wurde es eiskalt. Draußen war alles Luft. Reine, köstliche, frische Luft. Stef atmete tief ein. Zwölf Zentimeter. Fünfzehn. Zwanzig. Der Banker jaulte auf und wurde von den Füßen gerissen. Kaffeetassen, Zeitschriften, Brillen und ein Männerjackett fegten an Stef vorbei durch die größer werdende Öffnung.
Dann flog auch sie hinaus.
KAPITEL 17
Nachdem Tang gegangen war, rief Jo Misty Kanans Nummer an. Sie sprach eine Nachricht auf Mistys Handy und den Anrufbeantworter der Kanans.
In wachsender Frustration telefonierte sie noch einmal mit Chira-Sayf und hinterließ wieder Nachrichten für Alec Shepard und Riva Calder. Irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass in diesem Fall alle Versteck spielten. Und sie war diejenige, die den anderen blind hinterherstolpern musste.
Draußen im Garten flatterten die grünen Blätter des Magnolienbaums im Wind wie die klatschenden Hände der Besucher bei einem Kongress der Revivalisten. Sie legte ihr Handy auf den Tisch. Prompt läutete es.
Das Klingelzeichen schrillte durchs Zimmer: »Sick Sad Little World« von Incubus. Sie hechtete danach wie ein Soldat nach einer Granate.
Gabe meldete sich. »Ich hab Informationen über Ian Kanan.«
»Super, gib’s mir. Bring meine Welt zum Einsturz.«
»Anscheinend läuft es richtig gut bei dir.«
»Wie bei einem Rettungsspringer, der kurz vor dem Einsatz merkt, dass er seinen Fallschirm vergessen hat.«
»Pass auf, es ist besser, wenn ich dir das unter vier Augen erzähle. Ich bin gerade unterwegs nach Noe Valley - hast du schon zu Mittag gegessen?«
»Nein, treffen wir uns im Ti Couz.« Sie schnappte sich die Schlüssel und lief zur Tür. »Aber verrat mir schon mal das Wesentliche. In höchstens fünf Worten.«
»Zu Ian Kanan? Peng-peng.«
Als sie kurz darauf zu ihrem Wagen trabte, der jenseits der Straßenbahngleise auf dem Parkplatz numero quince stand, klingelte das Telefon erneut.
»Dr. Beckett? Alec Shepard.« Die Stimme des Chefs von Chira-Sayf war splitterig wie ein morscher Holzpfahl.
Jos Puls schlug schneller. »Danke, dass Sie mich zurückrufen.«
»Sie haben es ja dringend genug gemacht. Mein Pilot hat mir gemeldet, dass Ian mich angeblich umbringen will.«
»Können wir uns
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