Die Strafe - The Memory Collector
Überwachungskamera am Jachthafen geschossen hatte.
»Alec - das Auto, das von Ihrer Auffahrt gestohlen wurde. Ein Navigator?«
Irritiert über die Störung, blickte er auf.
Sie beugte sich vor. »Ist es ein roter Navigator?«
»Ja.«
Sie deutete mit dem Kinn zum Fenster. »Der da?«
Ian Kanan starrte durch die getönte Scheibe des Navigator hinüber zu dem kleinen Restaurant an der Sixteenth Street. Drinnen saß Alec an einem Tisch. Ihm gegenüber mit Blick zum Fenster eine Frau. Jung, dunkles Haar, attraktiv. Ihr Gesicht hatte einen intensiven Ausdruck, als sie sich zu Alec beugte.
Sein Blick huschte über das Armaturenbrett. Neben einem Stapel Post-it-Zetteln klebte ein Fotoausweis. Dr. Johanna Beckett. Das war sie.
Diese Beckett war also irgendwie in die Sache verwickelt. Er hielt das Telefon hoch und schoss ein Foto von den beiden.
Er beobachtete Alec und bekam ein hohles Gefühl in der Magengrube. Sein Bewusstsein, die leuchtende Blase des Jetzt, in der er existierte, füllte sich mit dem Wort Verrat.
Er zog die Waffe aus dem Hosenbund. Es war eine HK-Halbautomatik. Nachdem er das Magazin überprüft hatte, entsicherte er die Pistole.
Shepard drehte den Kopf zum Fenster, das Telefon am Ohr. Sein Unmut schlug in Staunen um.
Er beendete den Anruf. »Das ist mein Kalifornienaufkleber im Rückfenster. Ich fass es nicht. Welcher Scheißkerl … dem werd ich was erzählen.«
Er stieß den Stuhl zurück. Jo legte ihm unauffällig die Hand auf den Arm.
Der Navigator hatte getönte Scheiben. Das winterliche Sonnenlicht bleichte das Glas zu einem kalten Gelb. Der Fahrer war nicht zu erkennen.
Alec wirkte plötzlich nachdenklich. »Ian könnte ihn genommen haben.«
»Wie? Hat er einen Schlüssel?«
Er furchte die Stirn. »Nein. Aber er weiß, wie man die Alarmanlage deaktiviert und wo ich den Ersatzschlüssel aufhebe. Er hat das ganze Sicherheitssystem für unsere Firmenflotte eingerichtet.«
Wieder wollte er aufstehen.
Jo packte ihn am Unterarm. »Warum ist er nicht reingekommen, Alec? Was passiert, wenn wir rausgehen?«
»Nichts Gutes.« Er starrte durchs Fenster. Seine splitterige Stimme schien die Luft zu zerkratzen. »Wollen Sie die Polizei rufen?«
Also hielt er Kanan doch für gefährlich. »Ja. Aber erst mal sollten wir verschwinden.«
Sie wartete, bis ein mit großen weißen Tellern beladener Kellner vorbeirauschte. Er stoppte am Tisch des beleibten schwulen Paares und machte sich daran, die Gerichte abzuladen. Er stand genau so, dass der Blick durchs Fenster verstellt war.
Sie griff nach ihrer Tasche und glitt von ihrem Stuhl, ohne Alec loszulassen. »Folgen Sie mir. Schauen Sie sich nicht um. Ganz unauffällig.«
Er erhob sich. Sie führte ihn nach hinten und schob sich in die Küche. Die Köche blickten auf, aber sie eilte einfach vorbei und trat mit Shepard durch die Hintertür hinaus in eine kleine Nebenstraße.
Sie blickte sich um. »Wir müssen so schnell wie möglich hier weg. Wo haben Sie geparkt?«
»Gegenüber vom Restaurant.«
»In Sichtweite des Navigator?«
»Leider.«
Jo kannte das Viertel, aber nicht gut. Das Polizeirevier des Mission District war mehrere Blocks entfernt, und um dorthin zu gelangen, mussten sie die Sixteenth Street überqueren, weil die Gasse, auf der sie sich befanden, an der nächsten Querstraße endete.
Sie kramte das Telefon aus der Umhängetasche und rief Gabe an.
Er meldete sich mit munterer Stimme. »Bin gleich da.«
»Bist du im Auto unterwegs?«
»Nein, zu Fuß.«
»Verdammt.«
Gabe drängte sich durch das Gewühl auf dem Gehsteig, einen Block vom Ti Couz entfernt. »Was ist los?«
»Ian Kanan steht mit einem roten Navigator gegenüber vom Restaurant. Ich bin gerade durch den Hinterausgang raus. Wo hast du geparkt?«
»Auf der Guerrero Street.«
Wie ein Radar scannte er die Straße. Achtzig Meter weiter vorn bemerkte er den roten Navigator, dessen Vorderseite von ihm abgewandt war.
»Hab ihn, Jo. Direkt geradeaus.«
Die Fahrertür öffnete sich, und ein Mann stieg aus. Er war mager, hatte rostfarbenes Haar und bewegte sich mit
der Geschmeidigkeit einer Schlange. Nach einem kurzen Blick auf den Verkehr überquerte er die Straße Richtung Restaurant. Vor den Fenstern hielt er an. Spähte hinein, völlig reglos. Er streifte sich mit der Hand übers Kreuz und zog dann das graue Flanellhemd über den Hosenbund.
Das Sirren von Gabes Radar schlug in ein tiefes Dröhnen um. Seine Perspektive verengte sich auf den rothaarigen
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