Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
letzte erschien Corinna; sie blieb im Türrahmen stehen und sah den fremden Gast mit einem langen Blick an. Marius spürte sein Herz schneller schlagen.
    »Es ist so«, sagte er mutig, »ich bin ein guter, aber erfolgloser Maler. Meine Bilder hängen bei einigen Kunsthändlern, aber es findet sich niemand, der sie kaufen will. Um zu leben, male ich Schilder, Reklame auf Häuserwände und Giebel. Meine bisher schönste, weil am besten bezahlte Arbeit war das Ausmalen einer Kantinenwand der Firma Huschel und Co., Fleischkonserven und Frostwaren. Der Entwurf kam von der Werbeabteilung: Die ganze Wand übersät mit Abbildungen der gleichen Viecher, die man in der Fabrik eindoste. Vom Lamm bis zur Languste, vom Fasan bis zum Hering. Es war schaurig und entsetzlich, aber ich verdiente daran sage und schreibe dreitausend Mark. Dafür hätte ich auch lauter Ölsardinen an die Wand gemalt. Dreitausend Mark! Ich kam mir wie Picasso oder Dali vor.«
    Corinna lachte, und dieses Lachen verhinderte es, daß Doerinck den jungen Maler ohne viel Worte hinauswarf.
    Sie kam auf ihn zu, gab ihm die Hand und war wie verwandelt. Ihre Müdigkeit, ihre völlige Kraftlosigkeit schien wie weggeblasen.
    »Und was wollen Sie nun von mir?« sagte sie fröhlich. »Ich habe keine Wände zum Ausmalen.«
    »Es war die Fernsehsendung über Sie … ich meine nicht das mit der Wunderheilung und was sie alles darüber gesagt haben, denn da habe ich gedacht: Blödsinn! Aber interessant wurde es für mich, als Sie von Ihrer Teppichknüpferei sprachen. Da hatte ich plötzlich eine Idee. Das Mädchen stellt moderne Teppiche her, sagte ich mir, da wäre doch eine Chance, wenn ich ein paar Entwürfe bei ihr loswerden könnte, nach denen sie einen Teppich zaubert. Das wäre ein neuer Markt. Damit käme ich ins Gespräch. Entwurf von Marius Herbert – das merkt man sich vielleicht.« Er lächelte, wie um Verzeihung bittend. Seine blauen Augen strahlten Corinna an. »Da bin ich losgefahren, per Anhalter. Ich hatte doch keine Ahnung davon, was für ein Rummel hier losgeht. Ich habe mich durchgefragt, und Ihre Mutter war so freundlich, mich hereinzulassen. Ja, und nun bin ich hier.« Er wandte den Kopf zu Stefan Doerinck. »Wenn Sie mich rausschmeißen wollen, ich kann Sie nicht daran hindern.«
    »Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht?« fragte Doerinck scharf.
    »Nichts. Das heißt, doch. Ich habe mir gedacht: Noch zwei Wochen, und die Schinderei um ein paar Mark geht wieder los. Ich könnte malen wie die Impressionisten und muß statt dessen mit Schablonen Bierkrüge an Hauswände streichen.«
    »Sie sollten nicht malen wie die Impressionisten, sondern wie Marius Herbert!« sagte Corinna. Sie sah sich um. »Setzen wir uns?«
    »Soll der junge Mann denn hierbleiben?« fragte Doerinck erstaunt.
    »Ja. Aber nur, wenn du es erlaubst, Papuschka.« Sie wandte den Kopf wieder zu Marius. Er setzte sich zögernd auf den Sessel zurück. Neben ihm auf einem Tischchen stand ein Glas Orangensaft und lag ein Stück von Ljudmilas Honigkuchen. Sie wußte nicht, warum sie ihn nicht einfach gehenließ … sie sah in seine Augen und hatte den Wunsch, er möge bleiben. »Erzählen Sie mir mehr von sich.«
    Ljudmila und Doerinck gingen in die Küche. Meersei, Roemer und Dr. Hambach setzten sich. »Was soll das?« fragte Doerinck in der Küche. »Dieser junge Schlaks hat künstlerische Fürze im Kopf und beschwert sich, wenn er für ein paar Mark arbeiten muß. Das habe ich gern! Soll er etwa auch noch bei uns essen? Was gibt es denn? Ha! Kohlrouladen nach Ukrainer Art. Ich werf den Kerl raus!«
    Er ging ins Zimmer zurück, aber mit Hinauswerfen war nichts. Corinna saß Marius Herbert gegenüber und hatte gerade dessen Bericht über sein Leben unterbrochen. »Warum erzählen Sie das alles?« fragte sie ihn eben. »Warum sagen Sie nicht: Ich habe Magenkrebs!«

10
    Anders als damals Dr. Roemer, den die Erkenntnis, nur noch wenige Monate leben zu dürfen, völlig verwandelte, nahm Marius Herbert das Todesurteil gelassen hin. Obwohl alle im Zimmer den Atem anhielten und Corinna entsetzt anstarrten, griff er nach dem Glas Orangensaft und trank einen großen Schluck. Roemer stieß den angehaltenen Atem pfeifend aus wie ein durchlöcherter Blasebalg.
    »Wenn Sie es behaupten, wird es stimmen«, sagte Marius nur und brach ein Stück von Ljudmilas Honigkuchen ab. »Ich weiß es nicht, habe es bisher nicht einmal geahnt.«
    »Hatten Sie keinerlei Beschwerden? Schmerzen?«
    »Doch. Ab

Weitere Kostenlose Bücher