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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihnen die Halsschlagader durch. Wir fielen fast vom Stuhl, als die Tat geklärt wurde: Die Enkelin und Schwester der Opfer hatte beide getötet. Fünfzehn Jahre alt, ein Engelchen vom Aussehen, eine blonde Unschuld. Durch den Doppelmord wurde sie die alleinige Erbin.«
    »Wir sollten einmal gründlich alle Ihre Schüler durchgehen, Herr Doerinck«, sagte Staatsanwalt Zander ernst. »Wer ist in der letzten Zeit bestraft worden? Wer meinte, ihm sei von seinem Lehrer Unrecht geschehen? Wo hat es zwischen Ihnen und einem Schüler Spannungen gegeben? Der Text schon weist auf einen Jugendlichen hin: … oder das nächstemal brennst du selbst … Das ist Krimistil à la Fernsehen oder Kino oder Heftroman. Wir sollten uns die Schüler wirklich mal genau ansehen.«
    »Was ist mit diesem Maler?« fragte Doerinck später, als man die Brandstätte verlassen wollte. Die Kriminalpolizei hatte die Untersuchungen abgeschlossen. Corinna war auf einen Wink ihres Vaters zu ihm gekommen; Marius Herbert blieb auf dem Trittbrett des Wache haltenden Feuerwehrwagens sitzen. »Wo schläft er denn?«
    »Ich weiß nicht, Paps.«
    »Der hat doch kein Geld für ein Gasthauszimmer.«
    »Sicherlich nicht.«
    »Bei uns wohnen kann er nicht!«
    »Soll er im Straßengraben schlafen?«
    »Ich habe ihn nicht eingeladen, zu kommen.«
    »Aber ich!«
    »Wie bitte?« Doerinck sah seine Tochter erstaunt an. »Da kommt so ein halbverhungerter Künstler heran, und du lädst ihn ein?«
    »Er ist krank, Papa.«
    »Das ist doch kein Grund.«
    »Er kann in meinem Zimmer schlafen. Ich lege mich auf die Couch im Wohnzimmer.«
    »Und Professor van Meersei schläft in meinem Arbeitszimmer. Ich komme mir vor wie in einem Asyl.« Doerinck warf einen Blick auf den noch immer auf dem Trittbrett hockenden Herbert. »Soll das ein Dauerzustand werden?«
    »Wo soll er denn hin?«
    »Wo kommt er denn her?«
    »Ich will ihn behandeln und zu heilen versuchen, Papuschka. Es gibt da noch eine Chance, ich spüre das. Nur weil er ein armer Mensch ist, soll er nicht weiterleben? Ich habe Geld genug. Ich kann ihm ein Zimmer mieten.«
    »Du mietest einem wildfremden Mann ein Zimmer? Ja, was ist denn mit dir los?« Doerinck verstand plötzlich seine Tochter nicht mehr. Wieder blickte er hinüber zu Marius Herbert, sah die langen blonden Haare, die er von jeher als ausgesprochen unmännlich empfunden hatte, als ungepflegt und überhaupt als unmöglich, und alles an ihm, die Haltung, wie er auf dem Trittbrett saß, die verwaschenen Jeans, das karierte Hemd, die offene Wolljacke, die ausgelatschten Schuhe – alles das bestärkte ihn in seiner Antipathie diesem Mann gegenüber.
    Er erinnerte sich an eine politische Demonstration vor einigen Jahren auf dem Prinzipalmarkt in Münster, wo ein langmähniger Kerl – es stellte sich später heraus, daß er Student der Politologie war – vergeblich durch Zwischenrufe einen Redner unterbrechen wollte und dabei seine lange Mähne schüttelte, bis Doerinck, der hinter ihm stand, mit noch lauterer Stimme brüllte: »Laßt das Fräulein doch auch mal zu Wort kommen!« … Nur mit Mühe war Doerinck da einer Schlägerei entkommen, weil einige Halbwüchsige mitleidig sagten: »Laßt den Opa in Ruhe! Der hat doch 'ne Macke …«
    Doerincks Abneigung gegen langhaarige Männer war damit für immer zementiert.
    »Man sollte deinen Schützling vorher einmal in eine Badewanne stecken«, sagte er jetzt gehässig. »Wenn du dich schon um ihn kümmern willst, gib ihm fünf Mark für den Friseur.«
    »Er wird ein großer Maler werden.« Corinna warf einen letzten langen Blick auf die rauchenden Trümmer. Sie werden mich nicht kleinkriegen, dachte sie. So nicht! Ich baue ein neues Haus, genau an dieser Stelle, genau mit diesen geschwärzten Mauern. Und wenn es wieder brennt, werde ich sagen: Noch einmal! Auf dem gleichen Fleck! Ich lasse mich nicht zwingen, von niemandem lasse ich mich zwingen! Ihr werdet das alle begreifen müssen.
    »Darf Marius mit zu uns, Papuschka?« fragte sie etwas steif.
    »Ich kann ihm wirklich nicht im Straßengraben einen Platz zuweisen.« Doerinck machte eine fast trotzige Handbewegung. »Aber nur heute.«
    »Es hätte keine Probleme gegeben, wenn mein Haus noch stünde«, sagte Corinna. »Das konnte keiner ahnen. Aber seid beruhigt, er wird euch nicht lästigfallen …«
    Es wurde eine lange Nacht.
    Roemer fuhr mit Dr. Hambach zu dessen Haus und überzeugte ihn, daß solch ein Brand begossen werden müsse. »Ob es Ihnen gefällt

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