Die strahlenden Hände
weiter?«
»Ich beuge mich keinem Terror«, erklärte Corinna mit Nachdruck.
»Bravo!« Meersei klatschte in die Hände. Doerinck verzog säuerlich das Gesicht.
»Beifall an der falschen Stelle. Du hast nichts mehr, Corinna.«
»Ich baue das Haus wieder auf, Papuschka.«
»Das dauert etwas. Und bis dahin? Nach dieser feurigen Reklame werden die Kranken jetzt mit Bussen zu dir kommen. Willst du in einer Art Freilichtbühne auftreten?« Es klang alles sehr verbittert und anklagend.
Marius Herbert, mit seinem Kuchen fertig, wischte ein paar Krümel von seinen Jeans. »Ich habe da eine Idee«, sagte er.
»Da bin ich aber gespannt.«
»Man könnte daran denken, einen Saal zu mieten – aber man wird hier keinen bekommen.«
»So klug sind wir alle«, sagte Doerinck ärgerlich. »Es gibt in Hellenbrand vier Säle: den Westfalenwappen-Saal, die Stadthalle, den Saal der Kirchengemeinde und den Clubsaal des Tennisclubs. Jeder der Verantwortlichen wird sich hüten, Corinna seinen Saal zu vermieten.«
»Und da habe ich nun die Idee …«, sagte Herbert.
»Aha! Wir haben den Campingplatz vergessen.«
»So ähnlich. In Münster gibt es Firmen, die für Schützenfeste, die Kirmes und andere Veranstaltungen Zelte vermieten. Das ist es: Wir mieten uns ein Zelt und bauen es neben der verbrannten Scheune auf.«
»Eine fabelhafte Idee, Marius!« Corinna klatschte in die Hände. »Das machen wir!«
»Und dann geht auch das Zelt im Feuer zugrunde«, prophezeite Meersei.
»Dagegen ist man versichert. Dann wird eben das nächste Zelt aufgebaut.« Marius Herbert beugte sich im Sitzen vor. »Aber sie werden das Zelt nicht anstecken. Ich werde mit meinem Hund Wache halten.«
Doerinck war erstaunt. »Sie haben einen Hund?«
»Einen undefinierbaren Mischling. Er ist groß wie ein Schäferhund, hat den Kopf von einem Boxer, das Gebiß vom Dobermann, das Fell von einem Collie und den Schwanz von einem Spitz. Es ist ein Mädchen und heißt Molly. Für sie bin ich die halbe Welt. Molly wird nie vergessen, daß ich sie in Düsseldorf aus einer Mülltonne herausholte. Das war morgens um sechs Uhr. Ich kam von der Markthalle zurück, wo ich die Nacht über abgeladen hatte. Und als ich an den Mülltonnen vorbeiging, die zur Leerung auf dem Gehsteig standen, hörte ich aus einer Tonne ein leises Winseln. Ich hob den Deckel hoch, und da lag eine Plastiktüte drin, die sich bewegte. Es war Molly, vielleicht acht Wochen alt. Eine halbe Stunde später wäre sie im Mahlwerk des Müllwagens zerkleinert worden. Ich hab' sie auf den Arm genommen, sie hat mir sofort ein Küßchen gegeben, und ich hab' zu ihr gesagt: ›Du, wir bleiben jetzt zusammen, solange einer von uns lebt! Vergiß, was die Menschen mit dir tun wollten. Wir zwei spucken auf die Gesellschaft, was, Molly?‹ So hatte sie ihren Namen weg.« Marius holte tief Luft. »An der Mülltonne stand: Zweiter Stock. Ich habe kurz überlegt, bin dann ins Haus, die Treppe rauf, und da waren zwei Türen. Ich weiß die Namen noch: Bultmann und Alberts. Ich schellte bei Bultmann. Da kam ein altes Mütterchen an die Tür, in einem langen Morgenrock, und ich wußte genau: die war es nicht! Die hätte Molly nie in die Mülltonne gestopft. ›Entschuldigung!‹ sagte ich, ›das war die falsche Klingel.‹ Ich schellte bei Alberts, und da erschien ein dicker Mann, wütend, er hatte noch im Bett gelegen, sah Molly auf meinem Arm, riß die feisten Augen auf: ›Wie kommt denn der Köter zu Ihnen?‹ ›Das erkläre ich Ihnen gleich!‹ habe ich gesagt, bin in die Wohnung, habe Molly auf den Boden gesetzt und dem Dicken so eine geschmiert, daß er gegen die Wand fiel. Zu schreien fing er an, Hilfe, Überfall und weiter so'n Quatsch … aber nicht lange. Ich habe ihn durchgearbeitet, bis er in der Ecke des Flurs hockte, und dann habe ich gesagt: ›So, jetzt biste auch reif für die Mülltonne!‹ Und dann bin ich weg mit Molly. – Das war vor vier Jahren. Von da an hat Molly alles mitgemacht. Wo ich bin, ist auch sie.«
»Und wo ist sie jetzt?« fragte Doerinck ahnungsvoll.
»Bei Ihnen im Garten. Hinten, in der Laube.« Doerinck sprang erregt auf, aber Marius winkte ab. »Keine Angst! Erstens ist Molly gut erzogen und kackt nicht durch die Gegend, zweitens habe ich immer eine Decke für sie mit, und drittens wird es niemand wagen, zum Beispiel jetzt in Ihren Garten einzusteigen. Dort, wo Molly liegt, ist ein unangreifbarer Ort. Das wäre mit dem Zelt genauso …«
»Diese Molly muß ich sehen«,
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