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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kippte den Kognak hinunter und sah in der Spiegelwand der Bar, wie Ljudmila von der Couch aufstand und sich zu entkleiden begann.
    *
    Sie lag nackt auf der Couch, lang hingestreckt, mit geschlossenen Augen und einem geheimnisvollen Lächeln um die Lippen.
    Doerinck, von jeher ein sittsam und solide empfindender Mensch und deshalb ein wenig prüde, fragte sich, ob es nicht etwas obszön sei, daß eine Tochter ihre Mutter in einer solchen Lage sieht. Aber dann schob er diesen Gedanken beiseite. Wenn fremde Männer Ljudmila nackt gesehen hatten – die Ärzte, der Masseur im Kurhotel, der Bademeister bei der Unterwassermassage in Abano –, konnte man auch Corinna gegenüber diese kleine Scheu abbauen.
    Er saß etwa zwei Meter von der Couch entfernt auf einem Stuhl, die Hände zwischen die Knie geklemmt, und sah zu seiner Frau hinüber. In sechsunddreißig Jahren war sie für ihn immer eine Überraschung gewesen. Jeden Zentimeter ihres Körpers kannte er, jede Erhebung, jede Vertiefung, jeden kleinen Leberfleck – sie hatte genau sieben Stück, den schönsten verborgen in der linken Brustfalte –; er kannte jede Veränderung ihrer glatten Haut, jede blaue Verfärbung, wenn sie sich irgendwo gestoßen hatte, jeden kleinen Riß, jedes Pickelchen, das plötzlich da war, mit Creme behandelt wurde und wieder verschwand. Er konnte die Form ihrer kleinen Zehen beschreiben, die schlanken Fesseln, die Rundung der Hüften, das gewölbte kraushaarige Dreieck, den flachen Leib, die festen Brüste, die Armkugeln, die Schultern … o mein Gott, und das alles wurde jetzt zerstört von einem gnadenlosen Feind, der dort unter der glänzenden Haut, unter diesem herrlichen Körper, tief innen saß und all diese Schönheit, dieses Freude atmende Leben zerfraß.
    Er starrte auf seine Tochter, würgte an einem dicken Kloß im Hals und war in diesem Moment bereit, sogar an die Kraft zu glauben, die aus ihr hinüberströmen sollte zur Mutter. An diese Kraft, für die es keine Erklärung gab, auch wenn in Hunderten von Büchern versucht wurde, dem Geheimnis einen Namen zu geben. Es blieb ihm unbegreiflich, ja unheimlich, und gerade weil es seine Tochter war, verstärkte sich seine Ablehnung gegenüber diesem Unerklärbaren. Was er darüber gelesen hatte, hatte ihn nur noch mehr verwirrt und in Opposition gebracht. Am Stammtisch, wo er das Problem einmal vorsichtig anschnitt, hatte sofort das Lachen begonnen. Hier im Münsterland war man mit solchen ›Spinnern‹ quasi aufgewachsen: den Spökenkiekern, die die Zukunft voraussehen wollten. Den Gesundbeterinnen, von denen vor allem die alten Weiber begeistert waren, auch wenn die neue Zeit über sie hinwegrollte und die Betfrauen ausstarben. Dann die Kräuterweiber, die einzigen, die der Apotheker von Hellenbrand anerkannte, denn sie lieferten ihm die verschiedensten Kräutertees besser und billiger als die Fabriken. Ehemals, in der Zeit der Hexenverfolgungen, wurden die meisten Hexen im Westfälischen gefoltert und verbrannt. Daß es hier Hexen gegeben hat, das kam nicht von ungefähr. Die Moore mit ihrem Frühnebel, das Raunen im Walde, die Natur, die bis in die Häuser wuchs, die mit Himmel und Erde verbundenen, schwerblütigen Menschen – dies alles begünstigte den Glauben an das Wirken geheimnisvoller Kräfte.
    Aber Krankheiten heilen mit schwebenden Händen? Bio-Energie, die Aura um einen Menschen, ein Plasmafeld? Als Doerinck so etwas erwähnte – er lese gerade darüber, erklärte er sofort als Entschuldigung –, lachte der Amtsrichter Schwennicke am Stammtisch los (er war schon kräftig am Ernteeinfahren – ein Bier, ein Korn) und johlte lauthals: »So etwas liest er. Typisch Lehrer. Fritz!« das war der Apotheker, »leih ihm mal die neueste Sauerei auf dem Buchmarkt. Hat 'ne Frau geschrieben. Junge, Junge, die zieht vom Leder und die Hosen runter! Da kannste lernen, was Bio-Energie ist!«
    Von da an hatte Doerinck nie mehr darüber gesprochen, hatte die Bücher aber zu Ende gelesen und blieb mit noch größerem Erstaunen und Mißtrauen zurück. Ihm war zum Beispiel trotz vieler schöner Worte nicht klarzumachen, daß man nur mit Gedanken und psychischer Energie entfernte Gegenstände oder Personen bewegen konnte. In den Büchern nannte man das Telekinese. »So ein Blödsinn!« sagte Doerinck. »Da kann man sich doch nur an den Kopf fassen!«
    Er schrak aus seinen Gedanken auf, weil Corinna sich bewegte. Sie beugte sich über Ljudmila, legte ihre Hände flach auf ihren Unterbauch,

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