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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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distanziert sich von seiner Tochter.«
    »Was soll ich?« Doerinck holte tief Atem. »Mein Kind verraten? Herr Schulrat! Ich stehe voll vor und hinter und neben meinem Kind! Überall, wo sie mich braucht, wird mich meine Tochter finden.«
    »Sie wollen diesen Blödsinn wirklich mitmachen?« sagte Hollenbock betroffen.
    »Dieser Blödsinn hat meiner Frau das Leben wiedergeschenkt!« schrie Doerinck. Hupp erbleichte. Die Möglichkeit einer Verständigung war damit vertan. »Wie würden Sie reagieren, wenn Ihre Frau, von der Sie innerlich bereits Abschied genommen haben, dann plötzlich doch vom Krebs geheilt wäre?« Franziskus Hollenbock versteinerte. Auch Joviale können eisern werden. Vor zwei Jahren war seine Frau gestorben – an einem Mamma-Karzinom.
    Trotz jährlicher Kontrolluntersuchung hatte man es zu spät erkannt … da war über die Lymphe schon der Tod in den Körper geflossen.
    »Wären Sie damit einverstanden, Herr Doerinck«, sagte Hollenbock ziemlich dienstlich, »wenn wir Sie auf unbestimmte Zeit bei vollem Gehalt beurlauben?«
    »Nein!« antwortete Doerinck laut und klar.
    »Ich nehme eine längere Krankmeldung sofort an.«
    »Herr Schulrat, ich fühle mich prächtig!«
    »Stefan!« sagte Rektor Hupp gequält. »Stefan … sei doch nicht so stur. Das ist die eleganteste Lösung …«
    »Ich habe mein Geld immer ehrlich verdient, nie geschenkt bekommen. Es ist natürlich ein unlösbares Problem, einen Beamten auf Lebenszeit abzuschieben – vor allem dann, wenn er seinen Dienst korrekt versieht und nichts gegen ihn vorliegt. Man kann ihm ja nicht seine Tochter wie eine Pestglocke umhängen. Herr Schulrat, das ist wirklich ein Problem!«
    »Ich könnte Sie versetzen.«
    »Nein! Erstens würde ich dagegen bei der Regierung Beschwerde einlegen, zweitens kann man mich nach sechsundzwanzig Jahren an diesem Ort nicht versetzen, drittens wird man auch am neuen Schulort sofort wissen, wer ich bin. Was wäre damit gewonnen?«
    »Und wenn noch mehr Eltern streiken, was dann?« rief Hollenbock, nun doch in Erregung kommend. »Wenn die Schulpflegschaft offiziell mir und der Regierung meldet: Zu diesem Lehrer schicken wir unsere Kinder nicht mehr! Wir bestreiken die Schule! Nun, was dann?«
    »Es gibt bei uns die Schulpflicht. Die Eltern machen sich strafbar.«
    »Nach dem Gesetz! Du lieber Himmel, was gilt dann noch das Gesetz? Alle Medien werden über uns herfallen. Wir werden von der Tagespresse, den Illustrierten, dem Fernsehen zerrissen werden. Für die ist das ein Festtagsfressen. Immer feste druff auf die sturen Beamten. Und dann noch Lehrer! Dieser Jubel: Man kann Lehrern etwas reinwürgen. Das läßt sich doch keiner entgehen. Da sprudelt die jahrzehntelang zurückgehaltene Rache am Pauker. Glauben Sie wirklich, das überleben Sie?«
    »Ja!«
    »Du lieber Himmel! Einen Brückenkopf in Rußland zu halten ist einfacher, als der Infamie eines deutschen Magazins zu widerstehen. Das haben schon andere versucht. Minister zum Beispiel – und die mußten dann ihren Hut nehmen. Dagegen will ausgerechnet der Lehrer Stefan Doerinck anstinken?« Hollenbock schlürfte erregt den Atem durch die Lippen. »Darf man wissen, wie es hier weitergehen soll?«
    »Ja! Heute wird in Münster ein großes Zelt geliehen und neben dem niedergebrannten Haus meiner Tochter aufgestellt.«
    »Das ist ja Irrsinn!« stammelte Rektor Hupp. »Stefan, bist du völlig von Sinnen?«
    »Ich beuge mich keiner Gewalt. Nie!«
    »Und dann geht der Rummel weiter?« sagte Hollenbock eisig.
    »Diese Frage bitte ich an meine Tochter zu stellen.«
    »Sie sind hier der Lehrer!«
    »Aber ich heile nicht. Ich unterrichte – wie seit sechsundzwanzig Jahren!«
    »Wir drehen uns im Kreis.« Schulrat Franziskus Hollenbock legte die Hände auf den Rücken. »Ich werde mit der Regierung sprechen müssen und Ihre Beurlaubung vorschlagen.«
    »Ich werde mit einer Verwaltungsklage antworten, Herr Schulrat.«
    »Herr Hupp wird die Schulpflegschaft einladen und dann mit den Eltern eine Sondersitzung abhalten. Ich selbst werde zu den Eltern sprechen.«
    »Es könnte sein, daß ich bei der geringsten abfälligen Bemerkung über mich oder meine Familie eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreiche.«
    »Damit haben wir unsere Positionen bestimmt, Herr Doerinck.« Schulrat Hollenbock wippte auf den Zehenspitzen auf und ab. Er war bis zum Platzen erregt. »Ich stelle fest, daß unter diesen Umständen eine ersprießliche, den Schulfrieden garantierende kollegiale

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