Die strahlenden Hände
glaube es! – Ljudmila Dawidowna, wann tragen Sie das Paradies auf den Tisch?«
Nach dem Mittagessen hielt Corinna eine Pressekonferenz ab. Von allen Seiten waren die Journalisten in das kleine Hellenbrand gekommen, mit dem Wagen oder per Flugzeug nach Ladbergen, dem Flughafen Münster-Osnabrück am Rande der Hüttruper Heide. Auch Bürgermeister Beiler und Rektor Hupp waren eingeladen, und ganz selbstverständlich kam auch Schulrat Hollenbock zu dem Spektakel, da er ja nun mal in Hellenbrand war. Als Konferenzort hatte Corinna bewußt den Platz vor dem niedergebrannten Haus gewählt. Unter den Bäumen standen lange Tische mit Bänken, zur Verfügung gestellt von Jakob Lippenhorst, dem Wirt des ›Westfalenwappen‹, der auch den Ausschank und ein kaltes Buffet übernommen hatte. Corinna stand hinter dem Stehpult. Über Mikrofone und Lautsprecher – Fehlt dir was im trauten Heim, komm zu Radio-Hallerwein, erstes Haus am Platze! – konnte jeder die Fragen und Antworten miterleben. Die Fernsehanstalten hatten Aufnahmeteams geschickt. Für Hellenbrand war es ein einmaliger Tag. Der Name des kleinen Städtchens wurde nun weltweit bekannt. Bürgermeister Peter Beiler empfand ein Frösteln bei diesem Gedanken. Es war ein Negativ-Image, das er erwartete.
Und dann verlief die Pressekonferenz völlig anders, als man es geplant hatte. Nach ein paar einleitenden Sätzen von Corinna Doerinck trat Professor van Meersei an das Rednerpult und blockte alle unsachlichen Fragen nach den ›strahlenden Händen‹ ab: Er hielt einen Vortrag über Parapsychologie, erklärte die Begriffe Psychokinese, PSI, Plasmafeld, energetische Strahlung, Bio-Energie, Dermooptik, Bio-Plasma und Telekinese. Die Zuhörer bekamen einen verwirrenden Einblick in eine fremde Welt, von der die wenigsten bisher gehört hatten und von der sie sich auch nach dem Ende des Vortrages kein vollkommenes Bild machen konnten. Nur eins begriff man: Hier wurde etwas Übersinnliches, bisher Unbegreifbares plötzlich atemlos greifbar. Was man sonst schlicht Wunder nannte, erwies sich als eine bio-energetische, noch wenig erforschte Kraft, die in einem Menschen wirksam ist.
Zuerst begriff das der Pfarrer, Dechant Wilm. Was dieser holländische Professor da erklärte, stellte sogar die Wunder Christi in Frage. Hatte Christus nicht durch Handauflegen geheilt? Den Besessenen, den Aussätzigen, den Toten (Scheintoten?) von allem Leid befreit? War Jesus der größte und bekannteste Bio-Energetiker? Welch ein frevelhafter, gotteslästerlicher Gedanke! Welch eine religiöse Katastrophe!
»Diesem wirren Zeug sollte man mit aller Kraft entgegentreten!« flüsterte Dechant Wilm dem neben ihm sitzenden Schulrat Hollenbock zu. »Das ist genau das, was wir eine Irrlehre nennen!«
»Wirklich unerhört!« nickte Schulrat Hollenbock, obwohl er mit größtem Interesse den Worten von Professor van Meersei gelauscht hatte. »Aber es war schon von jeher schwer, solchen Fanatikern entgegenzutreten. Denken Sie an unsere eigene Münsteraner Geschichte: die Wiedertäufer!«
»Und wo sind sie geblieben, der Jan van Leiden, der Knipperdolling, der Krechting? Sie wurden hingerichtet, in Käfigen an der Lambertikirche aufgehängt …«
»Das wird der Kirche bei Corinna Doerinck kaum noch einmal gelingen«, sagte Hollenbock sarkastisch. »Heute muß man mit Argumenten kommen, und das ist in diesem Fall verdammt schwer, so scheint mir.«
Nach Meerseis Vortrag hagelten die Fragen auf Corinna herunter, aber es waren Fragen, die eine große Hilflosigkeit offenbarten. Jeder Zuruf hatte eigentlich nur den einen Inhalt: Glauben Sie – behaupten Sie – stellen Sie fest, daß Ihre Hände, daß Strahlen aus Ihren Händen auch die bisher als unheilbar geltenden Krankheiten heilen können? Wollen Sie behaupten, Sie könnten chronisches Asthma besiegen, gegen das die moderne Medizin noch immer kein wirksames Mittel besitzt? Mit Ihren Händen, so sagen Sie, können Sie Magengeschwüre austrocknen, Tumore veröden lassen, Entzündungen einschläfern?
»Ich weiß es nicht!« sagte Corinna auf alle diese Fragen. »Ich hoffe, zusammen mit den Kranken. Ich verspreche nie etwas. Gelingt die Heilung, ist es auch für mich fast wie ein Wunder. Ich sage jedem, der zu mir kommt: Ich kann Ihnen nicht mehr geben als die Hoffnung.«
»Und wie oft haben Sie bei Kranken, die zu Ihnen kamen, versagt?« rief ein Journalist.
»Noch nie!«
»Sie hatten noch keinen Mißerfolg?«
»Nein!«
»Woher wissen Sie
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