Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
das?«
    »Die Kranken, die bei mir waren, haben sich später von ihren Ärzten untersuchen lassen, und die Ärzte sagten: Sie sind gesund.« Corinna lächelte in die Runde. »Da die Schulmedizin so großen Wert auf den Wahrheitsgehalt ihrer Diagnosen legt, darf man auch diese positive Diagnose nicht anzweifeln.«
    »Mit solchen Ohrfeigen schafft sie sich eine Armee von Feinden«, sagte Dr. Roemer, neben Stefan Doerinck sitzend. »Ein Jammer, daß sie eine Deutsche ist. Bei uns herrschen die akademischen Wolfsrudel, die selbsternannten Wissenschaftspäpste, die Kulturträger von eigenen Gnaden. In Italien, Frankreich, Holland, Spanien, Rußland – ja auch in Rußland, da habe ich mich informiert –, gerade in Rußland, und eigentlich überall, außer in Deutschland, würde eine so außergewöhnliche Frau mit so wunderbaren Eigenschaften die größten Ehrungen und den umfassendsten Beistand erfahren. Was macht man hier? Na, das werden wir in den nächsten Wochen hautnah erfahren! Aber das verspreche ich Ihnen, Herr Doerinck: Der Erasmus Roemer wird wie ein Rammbock für Corinna ins Feld ziehen.«
    Die Pressekonferenz dauerte fast drei Stunden. Dann setzte sich Corinna in ihren Wagen und fuhr in die Stadt zurück, umzuckt von den Blitzlichtern der Fotografen. Schulrat Hollenbock schob sich bei dem allgemeinen Aufbruch noch einmal an Stefan Doerinck heran, der von Bürgermeister Beiler, Dr. Hambach. Dr. Roemer und Professor van Meersei umringt war.
    »Haben Sie für ein paar Worte Zeit?« fragte Hollenbock. Doerinck nickte.
    »Für Sie immer, Herr Schulrat.«
    »Aha! Das ist der Herr Schulrat?« dröhnte Roemer. Er schob sich vor Doerinck und sah auf den viel kleineren Mann herab. Es war unmöglich, ihn wegzudrängen oder ihn am Reden zu hindern. »Die obere Schulbehörde mit dem Muffensausen …«
    »Erlauben Sie mal!« sagte Hollenbock laut. »Was fällt Ihnen ein?«
    »Roemer, mein Name. Landgerichtsdirektor.«
    »Bedaure. Ich verkehre nicht in kriminellen Kreisen.«
    Roemer war verblüfft. Solche Antworten gefielen ihm. Sie bewiesen ein schnelles Denken. »Was versprechen Sie sich eigentlich davon, wenn Sie Herrn Doerinck beurlauben?«
    »Zunächst einmal Ruhe an der Front.«
    »Bleiben wir bei Ihrer Ausdrucksweise: Das ist Feigheit vor dem Feind!«
    »Welcher Feind?«
    »Der, den Sie beruhigen wollen: die merkwürdige Elternschaft dieser Schule. Sie kapitulieren vor ein paar Kleingläubigen und Einfaltspinseln; kuschen vor Leuten, die das Gesetz mißachten, geben Ihnen sogar recht. Wo bleibt denn Ihre Courage?«
    »Ich befürchte einen Streik der Eltern. Vor allem jetzt, nach dieser Mammutpressekonferenz. Ein Elternstreik wäre …«
    »… der beste Beweis, daß unsere gesamte Schulpolitik im Eimer ist«, nickte Roemer. »Ich erlebe es in meinem Bekanntenkreis immer wieder: Unsere heutige Schule ist eine Katastrophe; ihr Bildungsniveau wird in einigen Jahren unter dem der höchst achtbaren Missionsschulen Schwarzafrikas liegen. Die heranwachsenden Generationen werden noch nicht einmal die deutsche Muttersprache beherrschen. Orthographie und Grammatik werden der primitiven Willkür preisgegeben sein. Unser Wortschatz wird auf dreihundert Worte absinken! Da-da-da werden alle stammeln. Wir Deutschen werden ein Volk von Halbidioten werden. Da sollten Sie mal munter eingreifen, Herr Schulrat, und nicht bei Dingen, die unsere bisherige Schulweisheit übersteigt und die wir noch nicht zu begreifen vermögen.«
    »Fahren Sie nach Düsseldorf oder Bonn und brüllen Sie dort die verantwortlichen Minister an«, sagte Hollenbock und kniff die Augen zusammen. »Ich bekomme meine Lehr- und Rahmenpläne von den Ministerien und bin nur ausführendes Organ. Oder haben Sie einen Einfluß auf diese neuen, den Verbrecher streichelnden Strafgesetze? Na, sehen Sie! Wenn Sie einem Terroristenprozeß vorsitzen müßten und bekämen anonyme Briefe: ›Wenn du den scharfen Max spielst, haben deine Frau, deine Tochter, dein Sohn das zu büßen‹ – was tun Sie dann? Sie kneifen genau wie die anderen den Hintern zusammen und entdecken plötzlich, daß diese Bombenleger und Chaoten nur fehlgeleitete, arme Jugendliche sind, die man wärmend ans Herz drücken muß. Tun Sie etwas dagegen?«
    »Mich hat noch keiner bedroht«, antwortete Roemer.
    »Dann haben Sie Glück gehabt. Es wird noch kommen! Die Saat ist noch nicht überall aufgegangen.« Hollenbock sah an dem Riesen Roemer vorbei. »Im übrigen wollte ich Herrn Doerinck sprechen, nicht

Weitere Kostenlose Bücher