Die strahlenden Hände
Sie.«
Der Schulrat und Corinnas Vater gingen etwas abseits, nachdem Roemer den Weg freigegeben hatte. Hollenbock wischte sich über das runde Gesicht. Er war jetzt wieder der Joviale.
»Beeindruckend, Ihre Tochter«, sagte er. »Der Vortrag dieses holländischen Professors … grandios! Nur verstehe ich von allem nur ein Viertel! Was ich begreife ist, daß Ihre Tochter auf dem Weg ist, international berühmt zu werden. Entweder als Wundermädchen oder als vernichtungswürdige Hexe. Der deutschen Mentalität entsprechend neige ich mehr zur Hexe. Mein Rat jetzt als wohlwollender Kollege: Unternehmen Sie etwas, Doerinck, damit es zu keinem Drama kommt, das Sie alle, Ihre ganze Familie, mitreißen wird. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Wegen Ihrer Beurlaubung werde ich mit der Regierung sprechen. Das ist eine heikle Angelegenheit, vor allem aber ein Präzedenzfall.«
»Sie kapitulieren also wirklich vor ein paar übereifrigen Eltern?«
»Nein!« Hollenbock sah Doerinck sehr ernst an. »Rektor Hupp hat im Laufe dieses Tages noch einige Anrufe erhalten. Es sind jetzt dreißig Prozent der Eltern, die ihre Kinder von Ihrer Klasse zurückhalten wollen, wobei auch die alte Walze wieder gespielt wird: eine Russin als Frau Konrektor! – Sie kennen doch unsere sturen Pohlbürger.«
»Und ich habe nach sechsundzwanzig Jahren gedacht, hier sei meine Heimat!« Doerinck blickte über Hollenbock hinweg auf die Dächer und den Kirchturm von Hellenbrand. »Wissen Sie, daß ich am Schwarzen Meer hätte bleiben können?«
»Da haben Sie einen Fehler gemacht.«
»Ich hätte desertieren müssen, meine Leute verlassen, Sie verraten, zu den Russen überlaufen … Wäre das vernünftig gewesen?«
»Nein! Eine Schweinerei! Sie als Offizier …«
»Also war's kein Fehler, nicht in Poti zu bleiben.«
»Verzeihung.« Hollenbock gab Doerinck die Hand. »Ich verspreche Ihnen, Ihren Fall – es wird ein Fall werden! – schonend zu behandeln. Aber was dabei herauskommen wird, kann ich Ihnen noch nicht sagen. Nur eins: Ein Elternstreik muß Folgen haben.«
*
Am Morgen des nächsten Tages stand das Zelt.
Die Verleihfirma aus Münster baute es in drei Stunden auf. Bei den Fachleuten saß jeder Griff. Es war ein schönes rechteckiges Zelt mit einem festen Türeinsatz aus Balkenumrahmung und einer dicken Holztür. Bodenplatten bildeten einen fußwarmen Belag. Da der Herbst vor der Tür stand, stellte man auch vier Elektrostrahlöfen auf.
Der Chef der Zeltverleihfirma war selbst mitgekommen, legte Corinna den Leihvertrag vor und nahm einen Scheck für vorerst einen Monat in Empfang.
»Da ist noch etwas«, sagte er verlegen. »Die erhöhte Versicherung …«
»Die Versicherung ist im Leihvertrag enthalten«, entgegnete Corinna.
»Die normale, ja.« Der Verleiher grinste unsicher. »Ich weiß natürlich, wer Sie sind. Habe Sie im Fernsehen gesehen. Und was so in den Zeitungen stand. Die Brandstiftung … na ja. Das kann sich wiederholen. An meinem Zelt. Die Versicherung verlangt eine Risiko-Zusatzversicherung. Sie müssen das verstehen …«
Den ganzen Tag über richteten Corinna und Marius Herbert das Zelt ein. Lippenhorst, der Wirt vom ›Westfalenwappen‹, der bereits einen guten Nebenverdienst durch Corinnas Popularität gehabt hatte, lieh ihr Schränke, damit sie zunächst einmal das Notwendigste unterbringen konnte. Was die Raumeinteilung betraf, war folgende Regelung vorgesehen: eine neue Werkstatt, ein Zimmer für Herbert und Hund Molly, ein Ausstellungsraum und ein Warteraum.
Der Schreiner Mellmann aus Hellenbrand hatte sich erboten, das Zelt innen richtig auszubauen mit beweglichen Wandteilen, die man später, wenn das neue Haus erst einmal stand, zu Vertäfelungen umarbeiten konnte. Der Bauunternehmer Fritz Hospes kam mit dem Vorschlag, das Innere mit Leichtbauplatten und Gipskartonwänden richtig wohnlich zu gestalten, mit Elektroanschlüssen und Ölöfen. Sogar ein Badezimmer war möglich und natürlich ein Lokus, man konnte alles in die Abflußleitung der niedergebrannten Scheune anschließen, direkt gemütlich konnte es werden, denn wenn man so alles überblickte – vor einem Jahr würde das neue Haus ja doch nicht fertig sein. Und dazwischen lag der Winter. Mit dem war nicht zu spaßen in einem Zelt! Aber wenn man es richtig ausbaute …
»Haben Sie genug Geld, Corinna?« fragte Marius Herbert, als die Baufachleute abgezogen waren.
»Nein. Nur ein paar Ersparnisse.«
»Und wer soll das neue Haus finanzieren? Der Herr
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