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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kann mich kreuzweise, so lange und so oft, wie's ihm schmeckt! Mich kümmert der ganze Betrieb nicht mehr. Ich werde eine vorzeitige Pensionierung beantragen. Welch eine Katastrophe, Elise – dann bist du keine Frau Landgerichtsdirektor mehr!‹ Da hat sie mich losgelassen, ist weggelaufen, als sei ich schon in Verwesung übergegangen …«
    Auch Dr. Hambach hatte Neues zu berichten: Ihn hatte Professor Willbreit angerufen.
    »Nur zur kollegialen Information«, hatte Willbreit gesagt, »sollten Sie das wissen: Es läuft gegen Corinna Doerinck ein Strafantrag der Ärztekammer wegen verbotener Heiltätigkeit und Körperverletzung. Ich habe mich als Sachverständiger angeboten. Außerdem wird der Fall Corinna jetzt in Düsseldorf auf Ministerebene behandelt. Es ist unerträglich, zu sehen, daß diese Scharlatanerie nun schon weltweites Echo hat! – Wohnt Erasmus noch bei Ihnen?«
    »Ja«, hatte Dr. Hambach kurz geantwortet. Einen Dank für die Information hielt er nicht für angebracht, da sie ja indirekt auch eine Drohung gegen ihn enthielt.
    »Und wie geht es ihm?«
    »Gut! Die Behandlung von Corinna Doerinck schlägt an.«
    »Doch nicht bei diesem Leiden!« rief Willbreit erregt.
    »Wir werden in etwa drei Wochen eine Röntgenkontrolle durchführen. Die Aufnahmen überlasse ich Ihnen zur Ansicht.«
    »Auch wenn sie erschreckend negativ sind?«
    »Auch dann! Wir werden zu unseren Fehlern stehen. Das unterscheidet uns wieder von der Schulmedizin.«
    Wütend hatte Willbreit den Hörer auf die Gabel geworfen.
    Bei Stefan Doerinck war an diesem Tag ein Schreiben von Schulrat Hollenbock eingegangen. Korrekt auf dem Dienstweg, über Rektor Ferdinand Hupp. Hupp hatte ebenso korrekt einen Eingangsstempel mit Datum aufgedrückt.
    Das Schreiben war kurz. Darin wurde dem Lehrer Stefan Doerinck mitgeteilt, daß nach Rücksprache und Genehmigung durch das Kultusministerium in Düsseldorf dem Antrag auf unbefristeten Urlaub stattgegeben worden sei. Eine Urlaubsvertretung, die Kollegin Alma Winckler aus Altenberge bei Münster, werde den Dienst am Monatsanfang antreten. Hollenbock schrieb noch: »Ich wünsche Ihnen eine gute Erholung und verknüpfte damit den Wunsch, daß ich Sie recht bald nach voller Genesung wieder im Schuldienst von Hellenbrand begrüßen kann.«
    »Das ist eine bodenlose Frechheit!« sagte Doerinck zu Rektor Hupp, warf den Brief auf den Boden und gab ihm einen Tritt. »Wenn ihr glaubt, das nehme ich sang- und klanglos hin, dann irrt ihr euch. Ich werde in die Posaunen stoßen, daß eure Wände wackeln wie bei Jericho!«
    »Handle dir bloß kein Disziplinarverfahren ein, Stefan!« warnte Hupp, bückte sich und hob den Brief wieder auf. Doerincks Mißachtung eines schulratlichen Schreibens erschien ihm ungeheuerlich. »Auch ein dreißigjähriger Schuldienst schützt dich nicht, das weißt du genau!«
    »Ich habe immer meine Arbeit getan, und mehr als das.« Doerinck wehte einen neuen Einwand Hupps schon im Ansatz mit einer weiteren Armbewegung weg. »Ich trete diesen idiotischen unbefristeten Urlaub nicht an.«
    »Bei vollem Gehalt, Stefan!«
    »Ich gehöre nicht zu jenem Teil einer neuen Lehrergeneration, die ihre Stunden notgedrungen abkloppt, um ihr Gehalt zu rechtfertigen, und denen es völlig Wurscht ist, was die Kinder lernen – Hauptsache, sie begreifen das versteckte marxistische Gedankengut. Als ob alles Schlechte nur aus dem Westen, alles Gute aber aus dem Osten komme. Ich mache meinen Dienst weiter.«
    »Wie denn? Wenn die Kollegin Alma Winckler kommt …«
    »Sie kann sich in die Ecke setzen und zuhören.«
    »Stefan!« Hupp wurde sehr ernst und förmlich. »Provoziere keinen Skandal. Ich bitte dich als Kollege – und Freund. Ich müßte dir im Notfall das Betreten der Schule verbieten.«
    »Das versuche mal!« Doerinck atmete rasselnd. »Seit sechsundzwanzig Jahren stehe ich in dieser Klasse und …«
    »Reiß das Zelt ab und bring deine Tochter zur Vernunft!«
    »Das kann ich nicht.«
    »Du bist der Vater.«
    »Im Erzeugersinne – ja! Aber ihr Leben ist jetzt ganz allein ihr Leben. Warum sieht das bloß keiner ein?«
    Man drehte sich, wie immer, im Kreis, und kam zum Ausgangspunkt zurück. Doerinck hob die Schultern, verließ das Rektorzimmer und ging von Klasse zu Klasse. Die im Unterricht gestörten Kollegen sahen ihn verblüfft an. Von dem Brief des Schulrats Hollenbock hatten sie keine Ahnung. »Man will mich kaltstellen«, sagte er zu jedem. »Ich kenne eure ehrlichen Gedanken nicht, es

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