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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kniete vor einer Trage, auf der ein schönes, bleiches Mädchen lag und mit großen, fiebrigen Augen auf das Wunder wartete. Es würde dieses Wunder nie geben, auch hier konnte Corinna nicht helfen. Eine Leukämie in diesem Stadium kann man nicht mehr mit bio-energetischen Kräften aufhalten. Wie aber soll man das einem jungen Menschen erklären, der an das große Wunder glaubt, an die geheimnisvolle Kraft der strahlenden Hände? Es waren die Minuten, vor denen Corinna sich immer fürchtete. Die Augenblicke der totalen Ohnmacht ihrer Kraft. Eine Grenze gibt es, hinter der das Weiterleben nur noch ein Weggleiten ist. Unaufhaltsam …
    Sie nickte, streichelte dem bleichen Mädchen das Gesicht und sprach leise auf es ein. So lautlos wie möglich verließ Herbert den Raum. Er kannte das jetzt schon: Wenn Corinna redete statt zu streicheln, wenn sie ihre Hände um ein Gesicht legte, statt sie über den Körper gleiten zu lassen, dann gab es keine Hoffnung mehr. Es gab nur wenige Kranke, denen Corinna die Wahrheit sagen konnte. Selbst die begleitenden Angehörigen hatten selten die Standhaftigkeit, das zu ertragen, und viele gab es, die glaubten es einfach nicht, blieben in Hellenbrand oder in den umgebenden Orten und kamen jeden Tag wieder zum Zelt. Vor einer Woche war eine Familie aus Bayern gekommen, hatte neben dem Zelt einen Altar errichtet, die Bahre mit dem kranken Vater davorgestellt und dreimal am Tag eine Andacht abgehalten.
    Natürlich filmte das Fernsehen diesen Auftritt, und man hielt auch auf Tonband fest, wie der Pfarrer von Hellenbrand erst freundlich, dann heftig auf die Familie einsprach, wie zwei Tage später ein Prälat vom erzbischöflichen Ordinariat in Münster erschien und nach langen Vorhaltungen erreichte, daß der Altar wieder abgebaut wurde. »Wir lehnen es entschieden ab«, sagte der Prälat verschlossen, »das, was hier geschieht, in unsere religiöse Welt einzubeziehen. Wir sind betroffen über das, was wir hier sehen. Wir können nur um Vergebung beten.«
    Pünktlich um zwölf schloß Marius Herbert die Eingangstür zu Corinnas Zelt ab, wartete wie an jedem Tag, bis sich draußen die Menschen verzogen hatten, und fuhr dann den Wagen vor den Eingang. Corinna schlüpfte in das Auto, und in schneller Fahrt erreichten sie das Lehrerhaus, wo Ljudmila mit dem Essen wartete.
    Dabei übersahen sie, daß in der Nebenstraße ein grüner Wagen mit einem holländischen Nummernschild parkte und daß Marikje es mit haßerfülltem Blick verfolgte, wie sie durch den Vorgarten gingen, wie die Tür geöffnet wurde und Stefan Doerinck seine Tochter mit einem Kuß begrüßte.
    »Du Biest!« knirschte Marikje und ballte die Fäuste in ihrem Schoß. »Du verdammtes Biest! Willst mich vernichten, indem du mir eine tödliche Krankheit einredest … Du Teufel du!«
    *
    Der Nachmittag dieses Tages brachte allerlei Unangenehmes. Zunächst gelang es Elise Roemer, ihren Mann abzufangen, als er versuchte, wieder heimlich aus Dr. Hambachs Haus auszubrechen. Sie fiel ihn im wahrsten Sinne des Wortes an, nachdem sie ausfindig gemacht hatte, daß ein Hinterausgang zu einem Gartenweg führte, der vor einer Zaunpforte mündete, durch die man ein unbebautes Wiesenstück betreten konnte. Hier lauerte sie Erasmus Roemer auf, und als er, zufrieden vor sich hinpfeifend, das Törchen aufstieß, warf sie sich mit Schwung an ihn und hing an ihm wie eine Katze.
    »Warum tust du das?« rief sie und weinte sofort. »O mein Liebling, komm zurück! Sei doch vernünftig! Warum versteckst du dich vor mir? Ich will doch nur, daß du vollkommen gesund wirst. Dieses Weibsstück Corinna vernichtet dich doch bloß. Warum glaubst du nicht Willbreit, er ist doch dein Freund …«
    Bei Roemer, der Stefan Doerinck am Abend über diese Begegnung berichtete, hörte sich das so an: »Da springt mich das Luder an, als sei ich ein nackter Neger mit einem Riesending, aber ich sage: ›Was ist denn das? Haben Sie sich vertan, Madame? Ich bin weder ein ungarischer Baron, noch habe ich ein Schloß mit Spiegelbetten, und ich bitte Sie, in meine Potenz keine Erwartungen mehr zu setzen, ehe es mir wieder gelingt, zwei Flaschen Chambertin Gran Cru Premiere Classe wie Wasser zum Gurgeln zu trinken.‹ Und was weint sie mir da vor? – ›O mein Liebling, ich sterbe vor Sorge um dich! Keiner kann dich mehr verstehen. Der Landgerichtspräsident will auch kommen und mit dir reden. So geht das doch nicht!‹ – Und ich habe geantwortet: ›Der Landgerichtspräsident

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