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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Herbert herum. »Was sagst du da?«
    »Sieh sie dir an, Marius. Die Lähmung, die Zunge, wie sie dalag – man hat sie vergiftet! Und das soll mir Dr. Mayer morgen bestätigen.«
    »Vergiftet! O diese Menschen, diese verfluchten Menschen!« Marius Herbert ging zu Molly, beugte sich nieder, streichelte sie noch einmal und zog dann die Decke wieder über ihren Kopf. »Diese feigen Menschen!« sagte er laut. Er ging zur Tür, riß sie auf und blickte zurück zu Corinna. »Sollen wir uns vernichten lassen?«
    »Nein! Mich schlagen sie damit nicht nieder.«
    »Was werden wir tun? Zurückschlagen?«
    »Ja!«
    »Gemeinsam!«
    »Ja.«
    »Corinna … ich liebe dich!«
    Sie kam zu ihm. Er legte den Arm um sie und küßte sie. Aber es war wie ein Bruder-Schwester-Kuß … ihre Lippen öffneten sich nicht, der Mund blieb verschlossen. Es war nur ein kühler Druck. Trotzdem sagte Marius leise:
    »Wenn das Molly erlebt hätte! Sie hatte dich auch sehr, sehr lieb, Corinna …«
    Zu Hause wartete Stefan Doerinck ungeduldig auf seine Tochter. Er lief ihr und Marius entgegen, und auch Ljudmila war ganz aufgeregt und rief, bevor Doerinck noch etwas sagen konnte, über seinen Kopf hinweg: »So etwas. Nein, so etwas! Töchterchen, ist das eine Überraschung!«
    »Wo bleibt ihr bloß?« Doerinck zog seine Tochter ins Haus. Für Marius Herbert hatte er kaum einen Blick. Trotz geschnittener Haare blieb er ihm unsympathisch. »Wenn ich dir jetzt sage, was passiert ist, mußt du dich setzen. Ein Anruf ist gekommen. Aus Bonn. Der Kulturattache der sowjetischen Botschaft. Er hat angedeutet: Man will dich nach Moskau einladen zu einem Kongreß. Professor Maxim Victorowitsch Neroschenko, einer der größten sowjetischen Psychokinese-Forscher, will dich sehen!«
    »Und ich sehe Rußland wieder … mein Rußland …« stammelte Ljudmila.
    »Morgen wird der Brief kommen. Die offizielle Einladung.« Doerinck umarmte seine Tochter. Auch sein Gesicht zuckte. »Sie werden an dir nicht mehr vorbeigehen können, und wenn sie die Nasen noch so hoch recken, die Herren von der Schulmedizin. Kommt rein. Mamuschka hat zur Feier des Tages eine Alexandertorte gebacken! Dr. Roemer sitzt schon davor wie ein schnuppernder Hund.« Mit festem Griff erfaßte Corinna die Hand von Marius und zog ihn ins Zimmer. Ihn würgte es im Hals, aber er war nun stark genug, nicht wieder in Tränen auszubrechen. Wie ich sie liebe, dachte er nur. O Gott, laß mich nicht träumen …

13
    In der Nacht kehrten Marius und Corinna zum Zelt zurück.
Marius hatte eigentlich allein und zu Fuß zu seiner augenblicklichen Unterkunft gehen wollen, aber Corinna ließ es nicht zu. Sie hatte Angst um ihn. Mollys plötzlicher, rätselhafter Tod, der Verlust des ›Einzigen, der mich liebte‹, wie er es ausdrückte, hatte ihn sichtbar aus dem Gleichgewicht gebracht. Eine Ahnung sagte ihr, daß Marius, überließe sie ihn jetzt sich selbst, im Zelt die tote Molly unter den Arm nehmen und in der Nacht verschwinden würde – für immer. Irgendwo im Wald würde er Molly begraben und dann weiterziehen, um sich vegetierend durch die Welt zu schlagen, die an ihm, so glaubte er, kein Interesse hatte.
    Das Bild, das er nach Corinnas Suggestivbehandlung zu malen begonnen hatte, dieses wundervolle Gemälde, ein Rausch in Farben, war noch nicht vollendet – obwohl die positive Einstellung seines Bewußtseins, die schöpferische Erkenntnis: Ich kann malen wie Chagall, die ganze Zeit über angehalten und sein Wesen bestimmt hatte. Er war dank Corinna ein anderer Mensch geworden, beseelt von Kreativität und genialer Gestaltungskraft. Das in ihm verborgene Können hatte sich wie in einer Explosion entfaltet, eine große innere Befreiung hatte stattgefunden. Sogar Doerinck, der ein paarmal hinter Marius an der Staffelei stand, hatte später bewundernd zu Corinna gesagt: »Das hätte ich dem Kerl nie zugetraut. Der kann ja wirklich etwas!«
    Aber nun, von einer Minute auf die andere, war das alles zerstört, in sich zusammengebrochen wie ein Kartenhaus. Der Tod der Hündin Molly, der Schmerz, der Marius' Seele zerriß, vernichtete sein Selbstvertrauen und verschüttete auch wieder die schöpferische Intuition und Energie. Er war wieder der, als der er nach Hellenbrand gekommen war: ein unbedeutender Schilder- und Postkartenmaler; ein herumziehender ›Nichtseßhafter‹, wie man es amtlich nannte; ein Mensch, dessen Wert die Mitmenschen nicht erkennen konnten, weil er sich selbst nicht kannte, nicht kennen

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