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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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das Gegenteil wird geschehen. Eine geifernde Meute wird über Corinna herfallen und sie zu vernichten suchen. Kübelweise wird man Spott und Hohn über sie ausgießen. Staatliche Gewalt wird man mißbrauchen, um diese angebliche Scharlatanerie zu unterbinden. Man hat da so schöne, ›legale‹ Mittel: Es fängt mit der Steuerfahndung an und hört mit einem Betrugsprozeß auf. Die Möglichkeiten, einen unliebsamen Menschen zu zerbrechen, sind vielfältig, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Den Holzhammer haben wir ja schon erlebt: Brandstiftung und Mordversuch! Aber es gibt eine Menge subtilere Vernichtungsmechanismen.«
    »Überlegen Sie meinen Vorschlag!« Neroschenko klatschte in die Hände. »Bleiben Sie bei uns. Sie alle! Die kleinen Schwierigkeiten sind schnell weggeschoben. In der Sowjetunion besitzt die Forschung alle Privilegien. Man weiß in Moskau genau: Wer in der Forschung vorn ist, ist auch in der Welt der Erste. Es gibt keinen Bereich im Umkreis Mensch und Welt, Kosmos und Mikrokosmos, den die sowjetische Wissenschaft vernachlässigt. Nur wenig dringt davon nach außen, nur ein Bruchteil wird dem Westen bekannt – wenn überhaupt, dann gerade soviel, wie wir es für nötig und sinnvoll halten, um ein wenig Zeitpanik unter die Kollegen und Regierungen der anderen Hemisphäre zu bringen.« Neroschenko lachte wieder mit herzerfrischender Fröhlichkeit. »Was Rußland weiß, weiß die Welt noch lange nicht! Für den Westen sind wir immer noch der brummende sibirische Bär. Denken Sie an Bismarck: Laßt den Bären schlafen! – Aber wir schlafen nicht. Wir schaffen in aller Ruhe eine neue Welt. Sie, Corinna, und ich sind nur Steinchen dazu.« Neroschenko blickte hinüber zu Ljudmila: »Bleiben Sie hier, Ljudmila Davidowna! Ihr alte Heimat erwartet Sie. Offen ist sie für Sie.«
    Ljudmila warf einen langen Blick auf Stefan Doerinck. Überleg es dir, Stefanka, hieß das; in Deutschland wollen sie dich zwangspensionieren, Unterricht darfst du als Lehrer ohnehin schon nicht mehr geben. Geächtet bis an dein Lebensende wirst du sein – nicht, weil du gestohlen hast; nicht, weil du Kinder mißhandelt hast; nicht, weil du geisteskrank bist … nein, weil du eine Tochter hast, die mit den Händen heilen kann. Ist das da drüben noch unser Land? Ist das eine Heimat? Können wir dort noch glücklich sein und in geliebter Erde ausruhen? Stefanka, sieh doch, was sie aus dir, dem Unschuldigen, schon gemacht haben! Und was wird erst kommen, wenn die Berichte aus Tscheljabinsk in der ganzen Welt veröffentlicht werden! Was sollen wir tun, mein Liebster?
    »Wann fliegt unsere Maschine, Professor Neroschenko?« fragte Doerinck hart. Sein Gesicht war regungslos.
    »In drei Tagen ab Moskau. Nach Frankfurt.«
    »Die Plätze sind gebucht?«
    »Sie sind auf Abruf reserviert«, sagte Soja Igorowna. »Ich könnte …«
    »Wir fliegen!«
    »Für diese Entscheidung haben Sie noch drei Tage Zeit«, sagte Dr. Boganorow. »Ich darf Ihnen vom Sekretär des Ministeriums des Inneren mitteilen, daß Ljudmila Davidowna mit Ihnen in ihre Heimat Poti am Schwarzen Meer zurückkehren kann. Es wird sich eine Datscha finden lassen.«
    »Stefanka …«, stammelte Ljudmila. Tränen rannen ihr plötzlich über die hohen Wangen. »Stefanka …«
    »Wir fliegen!« wiederholte Doerinck heiser. »Meine Herren, bitte, beenden wir dieses Thema. Ich weiß, welche Ausnahme das ist, welche Großzügigkeit hinter Ihrem Angebot steckt – aber ich möchte dort sterben, wo ich hingehöre.«
    »Wäre das auch dann Ihre Antwort«, fragte Dr. Latischew etwas anzüglich, »wenn ein solches Angebot aus Washington käme? Wenn Ihnen ein Haus in Miami oder Florida offeriert würde?«
    »Sie wäre nicht anders, Dr. Latischew. Aber ich rede ja nur von mir … wenngleich ich glaube, daß meine Tochter nicht anders denkt.«
    »So ist es, Papuschka!« Corinna hob ihr Glas und prostete in die Runde; die anderen hoben ebenfalls die Gläser. »Wir fliegen!«
    Sie tranken ihre Gläser leer, Neroschenko erhob sich und warf sein Glas gegen die Wand. Die Russen taten sofort das gleiche.
    Nach einem kurzen Zögern schleuderte auch Marius sein Glas in den Scherbenhaufen.
    »Eine schöne Zeit war es mit euch«, sagte er traurig. »Eine unsterbliche Zeit! Auch wenn wir uns nicht mehr sehen: Wir werden immer zusammen sein.«
    Zwei Tage später flogen sie nach Moskau zurück. Nur die Dolmetscherin Soja Igorowna begleitete sie. Neroschenko und sein Mitarbeiterstab blieben in

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