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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Prostatitis gehört. Sie sind da ein enorm interessanter Fall, Herr Kollege. In der gesamten Literatur ist so etwas nicht beschrieben.«
    »Ob grob oder mit Ihrer Eleganz – Sie können mich nicht beleidigen. Ich habe über meinen ›Fall‹ ein genaues Tagebuch geführt, aber ich zeige es Ihnen nicht. Wozu auch? Sie würden mokant lächeln, nach meinem Alter fragen – Sechsundsechzig – und feststellen, daß ich an einem schleichenden enzephalomalazischen Insult leide. Vielleicht … mit Sechsundsechzig hat man keine sauberen Hirnarterien mehr. Aber sie sind noch stabil genug, um zu begreifen: Wenn's aus der Harnröhre eitrig tröpfelt, dann stimmt was nicht. Und wenn man dann noch gegen Antibiotika resistent ist …«
    »Man kann keine Prostatitis durch Handauflegen heilen!« sagte Willbreit laut. »Die Mittel, die Sie genommen haben, wirkten eben mit Verzögerung. Kollege Hambach, lassen Sie sich doch durch dieses Mädchen nicht zum … zum Trottel machen. Verzeihung!«
    »Haben Sie Ljudmila gesehen?«
    »Natürlich. Vor meinen Augen vollzog Corinna ihr Theater.«
    »Sieht so eine Frau mit Kolonkarzinom aus?«
    »Ich habe schon manchen Bullen von Kerl mit infaustem Ca gesehen. Das hat nichts zu sagen.«
    »Wir werden nächste Woche mit Ljudmila nach Billerbeck fahren und sie dort von dem Kollegen Meersmann röntgen lassen. Die Aufnahmen schicke ich Ihnen zu.«
    »Ein anderer Vorschlag: Wir führen noch einmal eine Untersuchung in meiner Klinik durch.«
    »Als zweite Schiene. Einverstanden.«
    »Ihre Vorsichtsmaßregel hat fast paranoide Züge.«
    »Akzeptiert. Sie können mich verrückt nennen, wenn die Röntgenbilder eine Verschlechterung zeigen. Wie aber nennen Sie mich, wenn Ljudmila Doerinck gesund ist?«
    »Darüber brauche ich mir keine Gedanken zu machen«, sagte Willbreit etwas hochnäsig. »Kollege Hambach, Hand auf Herz: Das alles widerspricht doch der simpelsten medizinischen Erkenntnis.«
    »Zugegeben. Es ist totaler Wahnsinn.«
    »Na also.«
    »Aber es ist nur für uns Wahnsinn, weil wir das Ganze nicht verstehen. Weil wir nicht in die Dimension vordringen können, aus der die Kraft kommt. Diese alles heilende Strahlung …«
    »Strahlung?« fragte Willbreit gedehnt.
    »Haben Sie eine andere Erklärung?«
    »Ich will gar keine. Ich weigere mich auch, eine zu suchen. Für mich ist das Scharlatanerie. Schamanenkult.«
    »Da haben wir es!« Dr. Hambach entkorkte die Flasche und bewilligte sich noch einen Korn. »Schamanentum! Wissen Sie, daß Corinnas Großvater ein Arzt war?«
    »Es steht in Frau Doerincks Akte. Vater: Arzt … irgendwo in Rußland.«
    »In Grusinien. Sie hat mir von ihm erzählt. Die Leute standen Schlange vor seinem Haus, übernachteten in seinem Garten, nur um bald dranzukommen. Es muß da zugegangen sein wie in einem wundertätigen Wallfahrtsort, wie Lourdes oder Fatima. Und was tat Dr. Assanurian? Er streichelte die Krankheiten weg.«
    »Du lieber Gott!« Willbreit schlug entsetzt die Fäuste gegeneinander. »Daher also! Eine raffinierte Enkelin!«
    »So kann man es auch sehen, beim besten Unwillen.«
    »Und man hat diesen Dr. Assanurian in Rußland gewähren lassen? Die Sowjets haben das geduldet?«
    »Durch eine Hintertür schlichen die Funktionäre herein. Zwei grusinische Minister sollen von ihm von chronischen Erkrankungen geheilt worden sein. Er erhielt sogar den Titel ›Ausgezeichneter der medizinischen Betreuung‹. 1945 wurde er nach Sibirien verbannt.«
    »Aha!«
    »Nicht aha! – Er wurde bestraft, weil seine Tochter Ljudmila mit einem deutschen Offizier durchgebrannt war. Er hieß Stefan Doerinck. Dr. Assanurian lebte bis zu seinem Tod in Tjumen, in der Verbannung. Als sogenannter Halbfreier. Aus dem ganzen Distrikt kamen sie zu ihm zur Behandlung.«
    »Mit der flachen Hand …«
    »So ist es. Er starb übrigens nicht an einer Krankheit, sondern er wurde erschossen. Von einem eifersüchtigen Ehemann. Er behandelte eine Blasenentzündung, und die Frau erzählte begeistert, wie wunderschön das Streichern zwischen den Beinen sei. Der Ehemann verstand das falsch, raste los und jagte drei Kugeln in Dr. Assanurians Brust.« Dr. Hambach schob die Unterlippe vor. »Betriebsunfall. Der Mann war so ungläubig wie Sie.«
    Das Gespräch war dann bald versandet. Willbreit hatte Hambach noch die mitgebrachten Röntgenaufnahmen von Ljudmila gezeigt – als Beweisstücke sozusagen – und es dann für angebracht gehalten, aufzubrechen. Dieser alte Landarzt, dieser Bauerndoktor,

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