Die strahlenden Hände
das mochte auch die Nüsse sehr …«
»Fahr'n wir zu Krautkrämer«, sagte Willbreit resignierend. »Ich bedauere, daß ich zu dir gekommen bin. Wann ist Elise wieder hier?«
»Du gemeiner Freund! Ich träume von einem Sechs-Gang-Dinner, und du erinnerst mich an meine Frau. Es stimmt schon, wenn man sagt, für einen Chirurgen ist Seele ein Fremdwort. Der ständige Anblick aufgeschnittener Leiber verroht.«
Auf der Fahrt nach Hiltrup, zum See, sprach man nicht mehr über das Thema Wunderheiler. Roemer erzählte Witze, die ihm der Chef des Sittendezernats der Kriminalpolizei anvertraut hatte, aber Willbreit kam nicht in die Stimmung, über die knalligen Pointen zu lachen. In der Halle des Waldhotels begrüßte Krautkrämer senior selbst den Landgerichtsdirektor und führte die Gäste an einen besonders schönen und abgeschirmt gelegenen Tisch. Dr. Roemer war hier bestens bekannt. Seine Feinschmeckerzunge war unbestechlich.
»Heute wollen wir mal schlemmen!« sagte er mit dröhnender Stimme. »Mein lieber Herr Krautkrämer, was muß dringend weg aus der Küche?«
Krautkrämer senior grinste breit. Auch das kannte man. Damit eröffnete Dr. Roemer immer seine kulinarische Schlacht. »Lassen Sie sich überraschen, Herr Direktor. Darf ich das Dinner nach meinen Ideen zusammenstellen?«
»Das ist ein Wort.« Roemer sah sich um. »Wo ist Luise? Ich möchte von Luise bedient werden.«
»Sie hat vor einer Woche aufgehört, Herr Direktor. Luise erwartet ein Kind.«
»Es ist unheimlich.« Roemer schüttelte erschüttert den Kopf. »Ich habe ihr nur auf den Hintern geklopft, und schon bekommt sie ein Kind.« Dann lachte er dröhnend, bog seine 230 Pfund beängstigend hin und her und schnaubte: »Thomas! Das fällt in dein neues Gebiet: Eine telegenetische Zeugung! Ha!«
Er prustete vor Wonne und Vergnügen, verschluckte sich, hustete brüllend, und Willbreit hatte große Lust, aufzustehen und nach Hause zu fahren.
Die Trüffelsuppe war ein Gedicht.
Roemer schlürfte sie mit verklärtem Gesicht und sagte, den Silberlöffel noch in der Hand: »Also gut, mein Lieber, ich fahre mit dir zu dem tollen Weib und laß mich streicheln.«
*
Ljudmila war unterwegs nach Billerbeck, um sich bei Dr. Meersmann röntgen zu lassen. Sie fuhren mit zwei Wagen; vorweg Stefan Doerinck, Ljudmila und Corinna, hinterher Dr. Hambach in seinem alten VW.
Dr. Meersmann war nur oberflächlich informiert. Hambach hatte ihn telefonisch unterrichtet, daß die Frau eines alten Freundes auf seinen Rat hin eine Dickdarmkontrolle machen lassen wollte unter Einbeziehung der umliegenden Organe.
»Ein bestimmter Verdacht, Kollege Hambach?« fragte Dr. Meersmann sofort.
»Aber nein.« Hambach war sich klar darüber, daß dieses Nein gefährlich werden konnte für den Fall, daß im Röntgenbild doch ein Kolonkarzinom nachzuweisen war. Dr. Meersmann hatte dann das Recht, ein wenig erstaunt zu sein und für sich zu denken: Na ja, der Herr Kollege wird alt. Es kommt nun die Zeit, wo er überfordert ist. Andererseits ist ja gerade ein Röntgenologe dazu da, zunächst Unsicherheiten in der Diagnose zu beseitigen und Zweifel zu beheben.
»Es geht darum, die Patientin zu beruhigen«, sagte Dr. Hambach, und das war nun die Wahrheit. »Sie wissen ja: eine kleine hämorrhoide Blutung, und schon denken diese Frauen an das Schlimmste. Sie glauben ja nur, was sie schwarz auf weiß sehen – eben auf dem Röntgenbild.«
»Und wenn es – das müssen wir einkalkulieren – positiv ist?«
»Auch dann zeigen wir es ihr. Frau Doerinck kann mit der Wahrheit leben.«
Die Assistentin Dr. Meersmanns hatte die Patientin und ihre Begleiter in ein besonderes Wartezimmer geführt.
»Ich habe Angst«, sagte Ljudmila nach einer Weile. »Ich habe richtige Angst.« Sie tastete nach Corinnas Hand und verkrampfte die Finger in ihrer Handfläche. »Ihr seid alle so still …«
Dr. Hambach scharrte mit den Füßen. Es ist etwas anderes, ob man hinter oder vor der Tür eines Wartezimmers sitzt. Die davor sitzen, haben immer die schlechtere Position.
»Und ich erst habe Angst!« sagte er und räusperte sich. »Wie ist's mit dir, Stefan?«
Doerinck blätterte unruhig in einer drei Wochen alten Illustrierten. Auch das gehört zum Mysterium ärztlicher Wartezimmer: Es gibt fast nur alte Illustrierte. Oder ein Fachblatt für Golfclubs. Damit wußten die Bauern aus dem Münsterland zwar nichts anzufangen, aber es imponierte ihnen. Sieh an, unser Doktor spielt Golf …
»Was kann uns
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