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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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will. Schönste Frau, Sie tappen in die Falle.
    Wewes begann, seine angeblichen Leiden zu schildern. Den Reizhusten, den Auswurf, die Fehldiagnose. Er sprach vom Verdacht auf Lungenadenomatose.
    Corinna unterbrach ihn nicht, sah ihn nur stumm an und hatte die Hände gefaltet. Auch als Wewes mit seiner Schilderung zu Ende war, sagte sie noch nichts.
    »Was halten Sie davon?« fragte er. Die Stille war bedrückend. Aber vielleicht gehörte das dazu, sie kochte Patienten weich. Welche Raffinesse!
    »Warum husten Sie jetzt nicht?« fragte sie plötzlich.
    »Das muß ich nicht immer. Das ist ja das Verteufelte. Mal zerreißt mich der Husten, mal kann ich auf Berge klettern. Eigentlich müßte ich nach dem vielen Reden wirklich husten.«
    »Wir wollen sehen …« Sie erhob sich, trat nahe an ihn heran und öffnete ihre Hände. Willbreit hatte recht: Es waren die längsten Finger und die kleinsten Handteller, die er je gesehen hatte. Betroffen starrte er Corinna an, als sie den Kopf zurückwarf und mit geschlossenen Augen und beiden Händen über seinen Brustkorb fuhr. In kurzer Entfernung vor ihm schwebten die Hände wie schwerelos über ihn hinweg. Dann glitten sie tiefer, umkreisten seinen Oberbauch, den Unterbauch, die Hüften. Als sie über seinem Bauchraum schwebten, verspürte er eine wohlige Wärme.
    »Warum lügen Sie?« fragte sie. Es klang nicht vorwurfsvoll oder böse, sondern eher traurig. Dr. Wewes nagte an der Unterlippe. Die Frage warf ihn aus dem Gleichgewicht. Wie konnte sie seine Lüge erkennen? Woran?
    »Warum sollte ich lügen?« entgegnete er kampfbereit.
    »Sie haben nichts an der Lunge. Gar nichts.«
    »Wie können Sie so etwas behaupten!«
    »Ich spüre nichts unter meinen Händen.« Sie trat von ihm zurück, bis zu dem großen Tisch, und lehnte sich an die Plattenkante. »Wer sind Sie?«
    »Reinhard Wewes ist mein Name. Ich bin – Ingenieur. Hochbau. Spezialität Brückenbau.«
    Sie nickte, obgleich er das Gefühl hatte, sie wisse genau, daß er wieder lüge. Sie legte die Hände aneinander – eine typische Haltung, die Willbreit ebenfalls beschrieben hatte – drückte das Kinn auf die Fingerspitzen und sah ihn nachdenklich an. Und dann sagte sie:
    »Haben Sie keine Beschwerden im Bauch?«
    »Nein.« Über Wewes' Kopfhaut zog ein Kribbeln. Was ist denn das, durchfuhr es ihn. Im Bauch? »Doch, ja … ab und zu, sehr selten, ein paar Stiche. Immer, wenn ich länger stehe. Aber das bleibt ja nicht aus an der Konstruktionstafel …« Er hätte sich fast versprochen und Röntgengerät gesagt. »Zweimal war es wie ein Krampf.«
    »Ich weiß nicht, warum Sie zu mir gekommen sind mit dieser Lüge von einer Lungenkrankheit. Aber es ist gut, daß Sie hier sind. Sie leiden an einem Gallenblasenempyem.«
    Es war Wewes, als habe man ihm auf den Kopf geschlagen. Er spürte einen harten Druck und dann eine Hitze, die ihm den Schweiß aus den Poren trieb. »Was habe ich?« fragte er laut. »Wiederholen Sie noch mal!«
    »Eine beginnende eitrige Entzündung der Gallenblase. In drei Tagen hätten Sie es deutlich gespürt.«
    »Das sagen Sie so dahin?« Wewes hob die Stimme. Das Unglaubliche seiner Situation kam ihm voll zu Bewußtsein. »Sie strecken die Hand aus, sagen: Nicht Lunge, sondern Galle – und das soll ich Ihnen glauben?«
    »Wurde es warm, als ich in die Gallengegend kam?«
    »Ja.«
    »Da habe ich es in meinen Fingerspitzen gefühlt.«
    Wewes war in diesem Augenblick so verwirrt, daß er ganz vergaß, warum er eigentlich nach Hellenbrand gefahren war. Ein Gallenblasenempyem … da waren seit Tagen die diffusen Schmerzen, ein merkwürdiger Druck, ein ziemlich gelblicher, blasser Stuhl – du lieber Himmel, sie hat ja recht! Die Galle ist nicht in Ordnung!
    »Was … was wollen Sie nun tun?« fragte er heiser. Zunächst weiß ich, was ich tun werde, dachte er. Ich fahre auf dem Rückweg bei Professor Schwarthe vorbei und störe seinen Samstagsfrieden. Er muß mich sofort in die Mangel nehmen. Ein Empyem! Wenn das stimmt … o Scheiße! »Können Sie was tun?«
    »Ich will versuchen, die Entzündung auszutrocknen.«
    »Wie bitte?«
    Da haben wir es, was Willbreit so auf die Palme brachte. Sie will Krankheiten austrocknen, wo nur starke Dosen von Antibiotika helfen. Sie will mit den angeblichen Strahlen aus ihren wirklich herrlichen Fingern Geschwüre oder Entzündungen veröden. Das ist verbrecherisch gegenüber denen, die daran glauben. Wagt sie es, jetzt weiterzugehen?
    »Wie wollen Sie das

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