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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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anstellen?« fragte er.
    »Eine Frau Herbrandt hat es Ihnen doch erzählt.«
    »Ja. Natürlich. Sie streicheln über die kranke Stelle und …«
    »Nein! Ich vernichte die Krankheit. In den Strahleninstituten beschießt man die Krebszellen mit Röntgen oder Betatronen, und es hat oft wenig Erfolg. Ich vermag es nicht zu erklären, aber aus meinen Händen kommen andere Strahlen, und sie können helfen.«
    »Da sind Sie sich sicher?«
    »Es gab noch nie einen Mißerfolg, sofern ich vorher den Gegner in meinen Fingerspitzen gefühlt habe.«
    »Noch nie?« Wewes frohlockte. Er hatte sie in die Ecke getrieben. »Wie vielen Menschen haben Sie denn schon – geholfen?«
    »Es mögen mit Ihnen ungefähr vierzig sein«, sagte sie ohne Zögern.
    Die Zahl gab Wewes einen Stich ins Herz. Vierzig. Und ohne Reklamationen. Das gibt es doch nicht! Vierzig Menschen, denen sie Krankheiten weggezaubert hatte? Man mußte Willbreit recht geben: diese Frau war gefährlich. Immerhin war es möglich, daß sie die Dinge gar nicht in den realen Zusammenhängen sah. Daß sie wirklich im guten Glauben, heilen zu können, handelte. Aus einer starken gläubigen Naivität heraus. Sie glaubte daran, ohne die Folgen zu bedenken.
    »Sie könnten mir also helfen?« fragte Wewes mit Unschuldsmiene.
    »Sind Sie nicht deshalb zu mir gekommen? Auf Anraten von Frau Herbrandt?«
    »Ja. Natürlich. Ja.« Wewes versuchte ein schiefes Lächeln. »Ich gestehe: Ich habe die Lungensache nur erfunden, um zu sehen, ob Sie die andere Krankheit entdecken. Das haben Sie, gratuliere. Ich vertraue mich Ihnen an.«
    In den nächsten fünf Minuten erlebte Wewes dann etwas, das allen Erklärungsversuchen trotzte. Corinna strich über seine Gallengegend, er spürte eine kompakte Wärme wie von einer dicken Wärmflasche auf seinem Bauch. Das Gefühl ließ sofort wieder nach, sobald sie die Hände sinken ließ. Eine Leere blieb zurück, ein Vakuum, als habe er einen Luftraum im Bauch.
    Wieder griff Corinna zur Zigarette, rauchte hastig und schob mit der freien Hand ihr Haar zurück. Um ihre Mundwinkel und neben der Nase zeigten sich scharfe Falten. Es waren heute neun Behandlungen gewesen; sie kam sich ausgelaugt, ausgesaugt, knochenlos vor.
    »Das war es?« fragte Wewes.
    »Ja.«
    »Kann ich auch eine Zigarette haben?«
    »Bedienen Sie sich.«
    Er nahm eine heraus, Corinna gab ihm Feuer, und dann rauchten sie schweigend. Das ist alles unfaßbar, dachte Wewes. Das übertrifft alles, was Willbreit erzählt hat. Schulmedizinisch ist das der Gipfel des Irrsinns. Ich soll ein Gallenblasenempyem im Anfangsstadium haben?
    »Wie geht's nun weiter?« fragte er und blickte dem Rauch seiner Zigarette nach.
    »Wenn Sie wollen, kommen Sie noch fünfmal wieder. Dann müßte die Entzündung weg sein.«
    »Warum fünfmal?«
    »Es kann auch zehnmal sein. So lange, bis ich nichts mehr spüre.«
    Wewes zerdrückte seine Zigarette in dem Aschenbecher und blickte auf Corinna hinunter. Sie blieb sitzen, erholte sich sichtlich und strich das Oberteil ihres Kleides glatt. So eine Frau gibt es nicht zweimal, dachte Wewes. Warum lebt sie allein? Warum hat sie keinen Freund? Verströmt sie ihr ganzes Gefühl mit den Händen?
    »Wieviel bekommen Sie?« fragte er. Auch das gehörte zu ihrer Überführung. Wenn sie Geld annahm, war ihr berufsmäßiger Betrug nachzuweisen.
    »Nichts. Ich nehme kein Geld dafür.«
    »Ich möchte aber …«
    »Nein!«
    »Dann verwenden Sie es für eine Spende.« Er griff in die Rocktasche, legte einen Hundertmarkschein auf den Tisch und ging zum Ausgang. »Bis wann? Nächsten Dienstag?«
    »Wenn Sie können …« Sie wartete, bis er unter der Tür war, und rief ihm dann nach: »Gute Fahrt, Herr Doktor Wewes! Haben Sie nicht mittwochs sprechstundenfrei?«
    Wewes fuhr wie von der Tarantel gestochen herum. Es war schwer, jetzt noch Haltung zu bewahren.
    »Sie kennen mich? Sie wußten von Anfang an alles?!«
    »Als ich in Münster studierte, waren Sie als junger Lungenarzt Assistent von Professor Lange. Ich vergesse nie Gesichter und Namen.«
    »Ich glaube, ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig …«, sagte Wewes heiser.
    »Nein!« Sie winkte ab. »Lassen Sie sich bestätigen, daß Sie ein beginnendes Gallenblasenempyem haben – und bestellen Sie Professor Willbreit einen schönen Gruß!«
    Ziemlich schnell verließ Dr. Wewes die Scheune, lief zu seinem Wagen und startete mit einem Kavaliersstart. Sie ist eine Hexe, dachte er. Ja, das ist sie. Eine wunderschöne Hexe. Aber

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