Die strahlenden Hände
war.
Willbreit entkleidete sich, stand ebenfalls nackt vor ihr und zögerte, sie mit einer Umarmung zu wecken. Sie lag einladend vor ihm, die Beine etwas gespreizt – er brauchte sich nur draufzulegen, und sie würde mit einem hellen Seufzer erwachen, ihn umschlingen und in sich hineindrücken. Er kannte das, und er war nie dahintergekommen, ob sie wirklich geschlafen hatte oder ob alles nur ein perfektes Spiel war.
Der Gedanke an die kommenden Probleme erwies sich als stärker. Willbreit ging um das Bett herum auf seine Seite, ließ sich vorsichtig, damit Lydia nicht erwachte, unter die Decke gleiten und kreuzte die Arme hinter seinem Nacken.
Morgen, überlegte er, wird Reinhard Wewes nach Hellenbrand fahren. Am Abend wissen wir mehr. Er hat versprochen, sofort nach seiner Rückkehr von Corinna uns alle rundum anzurufen.
Er lag noch lange wach, hörte auf Lydias ruhigen Atem, drehte sich später zu ihr um und legte seine Hand auf ihre runde, feste Brust. Sie erwachte nicht davon, aber sie dehnte sich wohlig im Schlaf. So schlief auch er ein und träumte ein völlig verrücktes Zeug: Nicht Lydia war es, die neben ihm lag und deren Brust er umklammert hielt, sondern Corinna Doerinck. Und sie war von einer überirdischen Schönheit. Ein goldener Strahlenkranz lag um ihren herrlichen, schimmernden Körper …
*
Nach der Beschreibung, die Willbreit gegeben hatte, war es für Dr. Reinhard Wewes nicht schwer, die Werkstatt Corinnas zu finden.
Je näher er dem Baumring kam, der die alte Scheune umzog, desto mehr wuchs seine Neugier, aber auch seine innere Spannung. Willbreit hatte gesagt, daß es sich bei der ›Hexe‹ um eine wahre Schönheit handelte, um eine junge Frau von südrussischem Typus mit einem winzigen Schuß Asien; man sähe es an ihren ganz leicht schräg gestellten Augen. Augen, so tiefschwarz wie ihr Haar, mit Gold-Punkten darin. Am faszinierendsten sollten ihre Hände sein, diese Strahlenhände – lang und schmal, fast nur Finger, kaum Handfläche. Und wenn sie die Hände leicht bog, waren sie wie Parabolspiegel. »Thomas spricht von ihr, als träume er sie in sein Bett!« hatte Dr. Viebieg gerufen. »Junge, Junge, paß bloß auf, daß sie dir nicht deinen empfindlichsten Teil streichelt!« Und Dr. Marxheit, der Gynäkologe, hatte noch einen draufgesetzt: »Wenn die schon in den Händen solche Strahlungen hat – was hat sie dann erst zwischen den Beinen!« Ein Ärztestammtisch zu vorgerückter Stunde kann da unerschöpflich sein.
Dr. Wewes hielt jetzt auf dem Platz vor der Scheune, stieg aus und stellte mit Mißfallen fest, daß außer seinem Auto noch sechs weitere Wagen auf dem Hof standen. Einerseits war das hinderlich, andererseits konnte man vielleicht Zeuge werden, wie dieses Weib ihre Kunden ›behandelte‹. Denn daß plötzlich so viele ›echte‹ Teppichkäufer gleichzeitig in dem stillen Hellenbrand auftauchten, war ja nicht anzunehmen. Nein, die wollten garantiert mehr als Teppiche kaufen.
Wewes überlegte noch einmal, was er sagen wollte. Quälender Dauerhusten, schleimiger Auswurf, sonst keine Beschwerden. Röntgenologisch diagnostizierte man eine chronische Pneumonie, eine Vortäuschung, die man bei einer Lungenadenomatose öfter hatte. Wenn diese Corinna ein Gewissen hatte, mußte sie zu ihm sagen: »Gehen Sie sofort zu einem Facharzt!« Wirklich, Dr. Wewes war äußerst gespannt auf sie.
Im Ausstellungsraum standen vier Damen, die ihm unbekannt waren und die auch ihn nicht kannten. Sie blätterten in Mappen herum, betrachteten Entwurfsskizzen für Wandteppiche oder Bodenteppiche und nickten stumm, als er einen »Guten Tag« wünschte. Er hatte den Eindruck, daß das Erscheinen eines männlichen Wesens hier im Augenblick nicht gern gesehen war. Frauen sind mit ihren Krankheiten lieber unter sich.
Wewes tat so, als interessiere er sich für die ausgehängten Muster. Er mußte, wenn auch widerwillig, gestehen, daß es kleine Kunstwerke waren und diese Corinna Doerinck wirklich ein begabtes Mädchen war.
»Ist die Meisterin noch nicht da?« fragte er plötzlich in die Stille hinein.
Es war, als habe er einen Wind streichen lassen. Fast entsetzt starrten die Damen ihn an.
»Sie wird gleich kommen«, sagte endlich eine der konsternierten Besucherinnen. »Sie ist nebenan in der Werkstatt beschäftigt.«
»Aha! Und Sie warten hier auch, meine Damen?«
»Ja. Bis wir drankommen.«
»Wie beim Arzt, was?« Wewes servierte es wie einen Witz und lachte auch darüber. Aber er fand
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