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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kein Echo. Niemand verzog das Gesicht. »Herrliche Teppiche!« sagte er deshalb schnell hinterher.
    »Ja.«
    »Ich möchte meiner Frau einen zum Geburtstag schenken.«
    Die Tür zur Werkstatt ging auf. Eine Frau kam heraus, mit einem strahlenden Gesicht. Sie wollte etwas sagen, sah den Mann und schwieg. Die anderen Damen blickten sie fragend an. Die glückliche Frau nickte wortlos, drückte ein Taschentüchlein gegen ihre Nase und verließ die Scheune. Es war, als fliege ein leises Seufzen durch den Raum.
    Wewes hielt unwillkürlich den Atem an, als nun Corinna in der Tür erschien und den nächsten Kunden hereinbitten wollte. Der Blick, der auf ihn fiel, war wie ein brennender Strahl.
    Sie ist noch faszinierender, als Willbreit sie geschildert hat, dachte er. Noch schöner. Ein Klasseweib! Wenn Roemer, die Sau, hier wäre, würde er brüllen: »Leute, haltet eure Hosen fest!« Himmel, welch eine Frau!
    »Guten Tag«, sagte sie. Ihre Stimme war ein Streicheln, war Klang gewordene Erotik. Daß Willbreit dafür keinen Draht hatte, erschien Wewes jetzt unerklärlich. »Ich habe Sie gar nicht kommen hören. Sonst klingelt es an der Tür.«
    »Die Tür stand offen.«
    »Ach. Darum.« Wieder der Blick, der Löcher brennen konnte. »Bitte, sehen Sie sich schon die Skizzen an. Ich bin gleich soweit.«
    Die nächste Dame verschwand im Nebenzimmer, aber Corinna machte keine Anstalten, ihr zu folgen. Ihr Blick blieb auf Dr. Wewes haften. Er empfand das als sehr unangenehm, drehte sich weg zur Wand und begann erneut mit der Betrachtung der Ausstellungsstücke. Diese Augen, dachte er. Überhaupt dieser Kopf! Das ist einmalig! Man kann verstehen, daß eine Verzauberung von ihr ausgeht, ein seltsamer Reiz, eine ›Strahlung‹. Das macht sie ja so gefährlich. Wen sie anblickt, der verliert den Begriff für die Wirklichkeit. Wewes hob die Schultern, er hatte das Gefühl, ihr Blick brenne in seinem Nacken. Dann klappte endlich die Tür, und der Arzt konnte wieder kräftig durchatmen.
    So geschah es noch viermal: die Damen verschwanden nacheinander in der Werkstatt, kamen ungefähr fünf Minuten später zurück und eilten ziemlich schnell hinaus zu ihren Wagen. Wewes nickten sie mit einem scheuen Lächeln zum Abschied zu.
    Als er nur noch allein im Ausstellungsraum war, klopfte sein Herz stärker als bisher. Du dämlicher Hund, sagte er zu sich, reiß dich zusammen! Du bist hier, um sie zu überführen.
    »Nun habe ich Zeit für Sie«, sagte Corinna. Sie hatte die letzte Kundin hinausgelassen und setzte sich auf einen Stuhl neben den großen Tisch mit den Entwurfsmappen. Gierig rauchte sie eine Zigarette. Ja, das ist es, dachte Wewes – sie verschlingt fast den Rauch. Als Lungenfacharzt hätte er jetzt sagen müssen: »Was Sie da tun, ist leichtsinnig. Mit dem Gift ruinieren Sie Ihre Bronchien, die Lunge, Ihre Gesundheit! Ich rauche selbst, ja, aber ich fresse die Dinger nicht. Ihre Lunge möchte ich mir mal auf dem Röntgenschirm ansehen.«
    »Haben Sie schon einen Entwurf gefunden?« fragte sie. Wewes kam in die Wirklichkeit zurück.
    »Nein.«
    »Verfügen Sie über viel Zeit?«
    »Ja. Das heißt – warum?«
    »Sie müßten sich bis zum nächsten Jahr mit einer Lieferung begnügen. Vorher ist nichts möglich.«
    Sie rauchte weiter, hastig wie bisher, und sah ihn forschend an. Sie zieht mich aus mit diesen verdammten Augen, dachte Wewes. Ich habe eine kurze hellgrüne Unterhose an; ein Geschenk von Irma, meiner Frau. Ein Jäger muß bis auf die Haut ein Jäger sein, hat sie mir mal gesagt. Seitdem schenkt sie mir grüne Unterhosen, grüne Unterhemden und grüne Socken.
    »Wenn es nicht anders geht, dann muß ich eben warten«, antwortete er steif. »Was kostet überhaupt so ein Wandteppich? Etwa dieser da!« Er zeigte auf das Motiv Blütenbaum, das ihn sehr an Chagall erinnerte.
    »Warum sind Sie wirklich gekommen?« fragte Corinna ruhig. Die Zigarette war weginhaliert. Der kleine Rest fiel in den großen Marmoraschenbecher. Wewes strich sich schnell über seine angegrauten Haare.
    »Was … was soll die Frage?« sagte er ausweichend.
    »Wer hat mich empfohlen?«
    »Frau Herbrandt«, log Wewes geistesgegenwärtig. Jetzt sind wir da. Jetzt fallen die Masken. »Ihr Ischias ist fast weg. Das hat mich bewogen …«
    »Welche Beschwerden haben Sie?«
    Na also, dachte Wewes zufrieden. Nun kann es losgehen. Sie fragte wie ein Mediziner, das allein schon ist erwähnenswert. So fragt man nur, wenn man die Hoffnung einer Heilung erwecken

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