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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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war ahnungslos. Sie alle, auch das Lehrerkollegium und die ganze Stadt, würden in einen Aufschrei ausbrechen, wenn am Abend das Fernsehen die Aufnahmen aus Hellenbrand ausstrahlte.
    Am Nachmittag dieses Sonnabends traf Professor van Meersei aus Holland ein. Er kam mit eigenem Wagen – die Entfernungen zwischen Holland und dem Münsterland sind ja gering. Meersei war ein langer, dürrer Mensch mit schütterem weißem Haar, hellblauen, wäßrigen Augen und einer Eigenart, von der ihn bisher noch kein Arzt hatte befreien können: Er zuckte in unbestimmten Abständen mit der Nase. Daß jemandem die Augen vibrieren oder die Lippen flattern, daß über das Gesicht ein Zucken fliegt, das hat man öfter – aber ein Zucken der Nase, als ob ein leichter elektrischer Schlag durch den Zinken fährt, ist äußerst selten. Namhafte Neurologen in Holland zerbrachen sich den Kopf über die Krankheit ihres berühmten Kollegen.
    Professor van Meersei kam gerade bei der Scheune an, als Corinna den letzten Gast – sie vermied das Wort Patient, wenn es möglich war – zur Tür brachte. Es war Frau Hilde Huiskens, die Frau des Humüwest-Schalterfabrikanten. Aus Dankbarkeit, weil es ihr so gut ging, hatte sie Corinna zuvor einen Fünfhundertmarkschein auf den Tisch gelegt.
    »Ich nehme kein Geld«, hatte Corinna gesagt. »Ich darf gar keins nehmen dafür.«
    »Ein Geschenk, mein Liebes. Man darf Ihnen doch ein Geschenk machen.« Frau Huiskens hatte sie zum Abschied geküßt. »Ich fühle mich so wohl wie seit Jahren nicht mehr. Ihre Hände sind ein Wunder, Corinna …«
    In die Abschiedsszene vor der Tür fuhr Professor van Meersei hinein und wartete im Wagen, bis Frau Huiskens mit einem langen Blick auf die holländische Autonummer weggefahren war. Dann stieg Meersei aus, seine Nase zuckte wieder, und er winkte Corinna von weitem zu.
    »Willkommen, Herr Professor, bei der Hexe!« rief sie, als er näher kam. »Treten Sie ein.«
    Meersei wollte bei dem Wort Hexe protestieren, aber Corinnas Anblick war auch für ihn so überwältigend, daß er ihr zunächst die Hand küßte und antwortete:
    »Es gibt immer neue Dummheiten der Menschheit. Je komplizierter die Zivilisation wird, um so mehr verliert man den Blick für das Natürliche. – Ich habe Sie mir ganz anders vorgestellt.«
    »Wie denn?«
    »Dr. Wewes hat Sie mir nicht beschrieben.« Meersei trat in den Ausstellungsraum und blickte interessiert um sich. »Kennen Sie Marikje Kerselaar?«
    »Nein. Müßte ich sie kennen?«
    »Marikje ist sozusagen eine Kollegin von Ihnen in Holland; ihre Kundschaft ist ebenso exklusiv wie geheim. Man munkelt, sogar die königliche Familie soll sie schon mal bestellt haben. Warum auch nicht, sie ist schließlich eine außergewöhnliche Frau. Augendiagnose, Behandlung durch Magnetfelder, magnetisierte Watte; Amulette, die sie mit Energie auflädt und die diese Energie an den Körper freigeben mit dem sogenannten Retard-Effekt – sie hat große Erfolge damit gehabt. Und natürlich ein Heer von Feinden gesammelt. Sie ist umstritten. Diese Amulette riechen ja geradezu nach Scharlatanerie und billigen Theatereffekten.« Meersei hob die schmalen Schultern. »Aber was soll man sagen angesichts der Erfolge?«
    »Sie halten wenig von ihr, nicht wahr?«
    »Sagen wir es so: Ihre heilende Ausstrahlung ist nicht meßbar …«
    Meersei verbeugte sich höflich, als Corinna auf einen Sessel zeigte, der hinter einem runden Tisch stand. Auf der Tischplatte lag der Fünfhundertmarkschein. Meersei setzte sich und sah die Banknote nachdenklich an.
    »Ihr Honorar?«
    »Nein. Frau Huiskens – das war die Dame, die gerade wegging – hat ihn aus Dankbarkeit hingelegt. Ich nehme kein Geld, und ich weiß auch nicht, was ich damit tun soll. Bis jetzt habe ich fast zweitausend Mark zusammen.« Sie ging zu einem Schrank, öffnete ihn und holte einen länglichen geschnitzten Holzkasten heraus. Als sie den Deckel aufklappte, sah Meersei die Geldscheine. Auch der Fünfhundertmarkschein wanderte in den Kasten. »Vielleicht gebe ich das Geld weiter an den Kindergarten oder an das Altersheim. Ich weiß es noch nicht. Ich selbst will nichts davon.« Sie sah van Meersei mit großen, fragenden Augen an. »Ich habe Angst, daß meine Kraft erlischt, wenn ich dafür Geld nehme. In diesem Fall ist die Annahme von Geld wohl eine Art Aggression – und jede Aggression verhindert die Entfaltung psychokinetischer Kräfte.«
    »Da sind wir schon mittendrin in der Parapsychologie.« Van Meersei

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