Die strahlenden Hände
und siehe da: der Krebs zeigt die weiße Flagge und löst sich still und leise auf. Muß man da nicht spöttisch lächeln? Was wir mit den raffiniertesten Strahlungsgeräten nicht schaffen, das schaffen Ihre Hände durch die – wie Sie es nennen – bio-energetischen Strahlen? Das kann man ja nicht glauben!«
»Man soll hier nicht glauben, sondern hoffen und beobachten. Und schließlich fühlen, daß man die Krankheit besiegt hat.«
»Sie können mit Ihrer Dermooptik auch Metastasen aufspüren? Besser als die Szintigraphie, die unter bestimmten Bedingungen im Körper verteilte Metastasen sichtbar zu machen vermag? So was schaffen Sie auch mit Ihren Fingern?«
»Ich habe es noch nicht probiert.« Corinna blickte voll in die Kamera, die ihr wunderschönes kaukasisches Gesicht in Großaufnahme brachte. »Ich habe bisher nur ein einziges Mal in meinen Fingern gespürt, daß ein Krebs vernichtet war – bei meiner Mutter. Die Röntgenbilder, die später gemacht wurden, bestätigten es.«
Das Fernsehinterview dauerte eine ganze Stunde. Was man zu hören bekam, war unglaublich. Wenn wirklich alles der Wahrheit entsprach, was Corinna erzählte, saß da vor der Kamera eine Frau, die vor aller Augen das tat, was man in der Bibel Wunder nannte. Nicht nur die Mediziner würden über sie herfallen, auch die Kirche. Corinna Doerinck war eine echte Sensation.
Das Fernsehteam verabschiedete sich überaus freundschaftlich, was bei Kennern der Szene, vor allem in dieser ungewöhnlichen Situation, einen Alarm ausgelöst hätte. Corinna aber war völlig unbefangen; sie war sogar glücklich darüber, nun gesagt zu haben, daß sie keine Wunder vollbringen könne, sondern daß hier nur eine natürliche, wenn auch seltene Kraft wirksam sei. Sie hoffte, daß man sie jetzt verstand. Ihr großer Fehler aber war, daß sie keine Livesendung verlangt hatte, bei der man nichts schneiden, nichts manipulieren konnte. Was in zwei Tagen als geschnittener Film über die Sender laufen würde, ahnte sie noch nicht. Sie hätte sich sonst auf die Filmrollen gestürzt und versucht, sie zu vernichten.
Sie winkte dem Fernsehwagen sogar noch nach, aber natürlich hörte sie nicht, was der Reporter voll dicker Zufriedenheit sagte:
»Das hätten wir im Kasten. Wenn es übermorgen in ›Medizin für alle‹ durchläuft, rollt eine neue Woge heran. Endlich! War ja sonst ein mieser, toter Sommer.«
*
Am Nachmittag rief Professor Pieter van Meersei an. Als er seinen Namen nannte – er sprach ein sehr gutes Deutsch – blieb Corinna für einen Augenblick das Herz stehen. Dr. Wewes hatte sein Versprechen gehalten.
»Ich habe mit großem Interesse von Ihnen vernommen«, sagte van Meersei, »und was mir Dr. Wewes erzählte, bestätigt vieles von dem, was sich aus unserer Forschung ergeben hat. Ich hielte es für nützlich, wenn wir uns kennenlernten.«
»Sie können jederzeit nach Hellenbrand kommen.« Corinna spürte deutlich ihren schneller gewordenen Herzschlag. »Ich habe nicht die Absicht, in nächster Zeit zu verreisen.«
»Sehr gut. Ich werde am kommenden Montag bei Ihnen sein. Ist das recht?«
»Ja, ich freue mich.«
»Sie haben bis jetzt nur im engsten Kreis Ihre Fähigkeit gezeigt, stimmt das?«
»Ja. Aber heute war das Fernsehen hier für ein langes Interview.«
»Hm.« Van Meersei schien davon nicht begeistert zu sein. »War das nötig?«
»Soll ich mich verstecken?«
»Natürlich nicht. Nur ist es mehr als mutig, ja geradezu leichtsinnig, den Kampf aufzunehmen …«
»Kampf? Gegen wen?«
»Die Gegner werden wie Pilze aus dem Boden schießen.«
»Die mögen ihre Argumente haben – ich habe die meinen. Und meine Hände! Die kann man nicht wegreden.«
»Ich komme schon am Sonnabend zu Ihnen«, sagte van Meersei hastig. »Einen großen Rat vorweg: Wenn wir Sie nicht wissenschaftlich stützen, werden Sie einem psychischen Terror ausgesetzt sein, dem Sie nie gewachsen sind. Das Schlimmste wird sein, daß man Sie lächerlich macht. Lächerlichkeit ist absolut tödlich! Da ziehen keine ernsthaften Argumente mehr. Wer glaubt einem Menschen, über den man höhnisch lacht? Das müssen wir vermeiden. Warum haben Sie nur das Fernsehinterview gegeben? Schon da hätte man einen Wall aufbauen müssen! Haben Sie nie mit einem Parapsychologen oder einem Fachmann gesprochen?«
»Nein. Wozu? Meine Hände können heilen, genügt das nicht?«
»Man sollte es annehmen. Man sollte es mit einem Glücksgefühl und mit Ehrfurcht hinnehmen. Aber unsere
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