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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Was er dachte und fühlte, drückte sich im erregten Mienenspiel aus, im Zucken der Backenmuskeln, im Vibrieren von Mund und Nase. Corinna dagegen war ruhig und ließ die Sendung gelassen über sich ergehen. Die Verantwortung lag ganz allein bei ihr; sie hatte das Interview trotz vieler Warnungen gegeben, und sie war bereit, dafür einzustehen. Nur hatte auch sie nicht geahnt, daß man alles, was sie gesagt hatte, durch raffinierte Schnitte so verfälschen konnte. Die Millionen Zuschauer am Fernsehschirm, die nicht wußten, wie weitgehend scheinbar realistische Fernsehsendungen manipulierbar waren, mußten nun glauben, daß sich in Wirklichkeit alles genauso abgespielt habe. Das war das Ungeheuerliche, das man nicht mehr ändern konnte. Eine richtigstellende Sendung brachte das Fernsehen ja nie, und große Proteste in den Zeitungen würden völlig verpuffen, weil sie kaum jemand beachten würde. Das Fernsehen hatte die größere Breitenwirkung. In den Funkhäusern wußte man das nur zu gut. Die Mächtigen des Mattscheibenmediums konnten zuschlagen, ohne einen Gegenschlag fürchten zu müssen. Im Gegenteil: Sie konnten einen Aufsässigen systematisch zertrümmern. Eine Funkhausfestung ist uneinnehmbar.
    »Es ist nun mal geschehen«, sagte Corinna, als nach der Sendung die Tagesschau angekündigt wurde und Doerinck wütend den Apparat ausschaltete. »Warum sich aufregen, Papa? Wir leben nun einmal in dieser Welt!«
    »Die für uns von morgen an ganz anders aussieht!« Doerinck lief unruhig im Zimmer hin und her. »Wir sollten jetzt genau überlegen, wie wir uns verteidigen!«
    »Verteidigen? Wir haben doch keinen Krieg, Papa.«
    »Und was für einen wir haben!« Er zeigte mit ausgestreckten! Arm auf das Fernsehgerät. »Das da war eine eindeutige Kriegserklärung. Mitten durch Hellenbrand wird die erste Stellung gehen – hier für, dort gegen Corinna Doerinck!«
    »Und nur, weil ich helfen will … und helfen kann …«
    »Das ist es, meine Liebste.« Professor van Meersei streckte die langen Beine von sich. Er war so richtig wohlig satt. »Alle, die helfen wollten, haben im Lauf der Geschichte das Schicksal erlitten, von Feinden und mißgünstigen Gegnern mit Dreck beworfen zu werden: Semmelweis, Koch, Albert Schweitzer, Freud – die Liste der Angespuckten in der Medizin ist lang! Ich kenne keinen einzigen Fall, bei dem ein Außenseiter von seinen Kollegen trotz aller Erfolge mit Applaus empfangen worden wäre.«
    Noch an diesem Abend zeigte es sich, wie recht Stefan Doerinck mit seiner Vision von einem Stellungskrieg hatte: Nach der Sendung und den Nachrichten – die hatten alle noch sehen wollen – läutete pausenlos das Telefon. Doerinck rückte einen Stuhl heran, setzte sich und nahm grimmig die Anrufe entgegen.
    Der erste kam von dem Nachbarn Hillerbek, einem Bankkassierer. Er wohnte drei Häuser weiter, und ab und zu war er herübergekommen, um sich aus Doerincks großer Bibliothek ein Buch zu leihen. Er liebte vor allem Biographien und Reiseberichte.
    »Haben Sie das gesehen, Herr Doerinck?« fragte Hillerbek ziemlich dämlich.
    »Natürlich«, knurrte Doerinck.
    »Ihre Tochter … Ja, gibt's denn so was?«
    »Das gibt es, Herr Hillerbek.«
    »Corinna kann mit den Händen heilen? Und das hat bisher keiner gewußt? Also, um ehrlich zu sein …«
    »Ein Vorschlag!« fiel Doerinck ihm ins Wort, und zwar ziemlich grob: »Wenn Sie irgendeine Beschwerde haben, einen verklemmten Furz etwa oder eine tröpfelnde Harnröhre – kommen Sie herüber und lassen Sie sich behandeln.«
    Damit war das nachbarliche Gespräch beendet. Ljudmila schüttelte langsam den Kopf.
    »Das war falsch, Stefanka«, sagte sie geduldig. »Hillerbeks waren immer liebe Leute.«
    »Bis heute abend.« Das Telefon schrillte. »Aha. Der nächste! Wie schade, daß man kein Tonband zwischenschalten kann. – Ja, hier Doerinck. Ah! Du bist es, Ferdinand! Prost! Ich nehme an, daß du jetzt einen gewaltigen Schluck zur Brust nimmst, auf diesen Schrecken hin.«
    »Das war ja nun der Gipfel!« sagte Schulrektor Hupp, Doerincks Vorgesetzter, mit belegter Stimme. »Wie kann Corinna solch ein Interview geben?«
    »Hat sie gar nicht.«
    »Aber es wurde so gesendet.«
    »Total verfälscht und entstellt.«
    »Das wissen du, deine Familie und ich … aber Millionen Zuschauer wissen es nicht. Sie nehmen es für bare Münze. Und das allein zählt. Ihr seid erledigt, Stefan!«
    »Für eine bestimmte Gruppe von Menschen, die sich vor der öffentlichen Meinung in

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