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Die strahlenden Hände

Die strahlenden Hände

Titel: Die strahlenden Hände Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Hose scheißen! Iß vorher Schokolade, dann ist's fester und riecht besser!«
    Doerinck legte auf. Ljudmila nickte.
    »Nun ist auch die Freundschaft mit Ferdinand hinüber.«
    »Seine Angst vor dem Schulrat, dem Elternrat und sogar der Regierung kotzt mich an. Wenn es nach Hupp ginge, müßten wir Lehrer alle unser Rückgrat abgeben.« Er blickte auf die Wanduhr und schüttelte den Kopf. »Wo bloß Peter Beiler bleibt? Der Herr Bürgermeister muß doch jetzt an der Decke kleben …«
    Wieder rappelte das Telefon. Diesmal war es ein anonymer Anrufer. Seine Stimme schwamm im Alkohol. »Wo ist die süße Kleine?« lallte er. »Ich habe was für sie zum Streicheln. Ein Männlein steht im Walde und ist doch so allein. Warum steht denn das Männelein …«
    Doerinck legte auf. Ljudmila beugte sich vor.
    »Wer war denn das?«
    »Ein moderner Dichter. Er wollte eine Hymne vortragen.«
    Bevor Ljudmila protestieren konnte, schellte es wieder.
    »Aha! Endlich!« sagte Doerinck zufrieden. »Unser Stadtoberhaupt. Von der Decke zurück, Peter?«
    »Eben rief bei mir der Kreisdirektor an … dann der Landrat …«, sagte Peter Beiler erregt.
    »Sieh an, die nächsthöhere Ebene! Morgen früh ist's der Regierungspräsident, wetten? Was sagen die Herren?«
    »Einhellig: ein Skandal! – Sag mal, ist Corinna verrückt geworden?«
    »Das hast du schon mal gefragt. Denk dir was Neues aus.«
    »Nach dieser Sendung seid ihr erledigt. Wie das Interview zustande kam, ist völlig gleichgültig. Allein wichtig ist die Wirkung. Und die haut euch vom Stuhl!«
    »Unmöglich!«
    »Wieso unmöglich?«
    »Wir werden nicht sitzend, sondern stehend um uns schlagen! Und noch eins, Peter: Diese Entwicklung der Dinge hat ihren Sinn und erweist sich als sehr lehrreich. Sie zeigt uns, wie man Freundschaften, auch jahrzehntelange, bewerten kann. Als Lehrer würde ich die Note sechs – ungenügend – geben. Von Freunden habe ich anderes erwartet.«
    »Wir wollen dich ja nur warnen, Stefan!« rief Peter Beiler erregt. »Aber du und deine Corinna seid so sture Hunde … Stefan …«
    Doerinck hatte aufgelegt, ohne Beiler zu Ende zu hören. Er kannte diese Tiraden.
    »Nun fallen die Masken«, sagte er und setzte sich neben Professor van Meersei. Das Telefon hatte er blockiert, indem er eine Nummer angewählt und den Hörer dann danebengelegt hatte. »Es ist höchst amüsant zu sehen, was sich unter der Maskierung verbirgt. Niemand gleicht mehr sich selbst. Die ganze Umwelt verändert sich. Das sind Lehren, die man mitnimmt in die Ewigkeit: Der Mensch ist im Grunde seines Wesens feig und verlogen. Wäre einer tapfer und ehrlich, würden ihn alle anderen in Grund und Boden prügeln. Unser Leben ist eine Ansammlung von kriecherischen Kompromissen; durch diesen geistig-seelischen Misthaufen müssen wir uns durchwühlen. Zum Kotzen, aber leider daseinsnotwendig!«
    »Der morgige Tag wird es bringen!« sagte van Meersei und nickte zufrieden, als Doerinck eine neue Flasche Wein entkorkte. Aber zum ersehnten Schluck kam er noch nicht, denn es klingelte an der Haustür. Corinna lief selbst hin, um nachzusehen, und kam mit Dr. Hambach zurück. Der alte Landarzt hatte nach der Sendung ein paar Kognaks gekippt und war deshalb in der richtigen Stimmung.
    »Das war das Bio-Plasma-Bömbchen von Hellenbrand!« rief er und küßte Ljudmila auf die Stirn. »Vor zehn Minuten rief mich Willbreit an. Er schwamm im Glück! ›Das disqualifiziert sie völlig!‹ sagte er. ›Die Sendung war gemein, aber sie kam zum richtigen Zeitpunkt. Man kann nicht grob genug vor solchen Wunderheilern warnen!‹ – Und ich habe geantwortet: ›Mein lieber professoraler Kollege! Sie sollten sich beim Freiluftpinkeln nicht gegen den Wind stellen, das geht immer an die Hose!‹« Hambach bemerkte erst jetzt van Meersei, verbeugte sich knapp und nannte seinen Namen. Als Meersei sich ebenfalls vorstellte, verzog Dr. Hambach das Gesicht: »Wieder ein Professor! Aus welcher Region? Damenschneider oder Fünf-Löcher-Spezialist?«
    »Neurologe, Psychologe und Psychoanalytiker mit Hinwendung zur Parapsychologie.«
    »O Gott!« Dr. Hambach starrte Meersei geradezu entsetzt an. »Das sind die Schlimmsten!« Er sah strafend zu den Doerincks hinüber. »Wer hat denn den herangeholt?«
    »Ihr Mißtrauen ehrt Sie, Herr Kollege!« Van Meersei blickte sehnsüchtig auf die Flasche Wein. Doerinck hatte sie zwar entkorkt, aber er goß nicht ein. »Ein anderer Kollege machte mich auf Fräulein Corinna

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