Die Strandhochzeit
ironisch. Ihre Mutter hatte versucht, sie auf die unerwarteten Ereignisse vorzubereiten, die das Leben vielleicht für sie bereithielt. „Alles ist vergänglich, Hol", sagte sie immer wieder. Ihre großen Augen wirkten stets ein wenig traurig. „Du musst selbst auf dich aufpassen", flüsterte sie einmal und drückte sie an sich. „Denn niemand sonst wird es tun." Und wenn sie zu erschöpft war, um zu lachen oder traurig zu sein, bat sie: „Bitte verzeih mir."
Damals hatte sie, Holly, natürlich noch nicht gewusst, dass es etwas zu verzeihen gab.
Ihren Vater hatte sie nie kennen gelernt.
Und sie konnte nicht ahnen, dass ihre Mutter ihm durch ihr Testament eine Nachricht zukommen lassen würde.
Doch das hatte diese getan. Und die verzweifelte Holly fand sich plötzlich im Hause eines amerikanischen Millionärs im Mittleren Westen der USA wieder. Damals hatte sie die zweite wichtige Botschaft endlich voll und ganz verstanden, die ihre Mutter ihr mit auf den Weg gegeben hatte: „Das Einzige, worauf du dich bei einem Mann verlassen kannst, ist, dass er dir das Herz brechen wird."
Das alles gehörte allerdings der Vergangenheit an. Der Vater, den sie nie wirklich kennen gelernt hatte, war tot. Die Stiefschwester, die schon ihre, Hollys, Existenz als Affront empfunden hatte, war weit weg - fünf Jahre und ein ganzer Kontinent lagen zwischen ihnen. Und wenn es auch bedeutete, dass sie allein war, so war es Holly nur recht. Solange ihr Herz wie aus Eis war, kam ihr zumindest niemand zu nahe. Sie war frei und in Sicherheit.
Holly verschob die Schachteln mit dem Essen ein wenig, so dass sie diese etwas besser tragen konnte. Dann ging sie durch die schier endlosen, stillen Flure zum Geschäftszimmer des Interna tionalen Katastrophenhilf ekomitees.
„Vielen Dank, meine Herren", sagte die Vorsitzende. „Sie haben uns viel Stoff zum Nachdenken gegeben."
Jack unterdrückte den Impuls zu protestie ren. Er hatte bisher nicht einmal über die Hälfte der vorbereiteten Themen gesprochen. Er hatte festgelegt, dass sein Unternehmen, die Armour-Katastrophenhilfe, den Vortrag auch während des Mittagessens weiterführen sollte. Die anderen Teilnehmer hatten zugestimmt. Doch das war vor Ramons Gefühlsausbruch gewesen. Die Vorsitzende des Komitees hatte für Gefühle nichts übrig.
Jack wollte weiteren Fehlschlägen vorbeugen und stand auf. „Vielen Dank."
Ramon Lopez sah ihn ungläubig an. „Wir können noch nicht gehen! Das Komitee ..."
„Hat unseren Bericht und den Vertragsentwurf vorliegen", führte Jack den Satz zu Ende. Er umfasste die Lehne von Ramons Stuhl und zog unauffällig, aber heftig daran.
„Und selbstverständlich stehen wir Ihnen bei Fragen jederzeit zur Verfügung. Sie haben meine Telefonnummer?"
Die Vorsitzende warf einen Blick auf die Visitenkarten, die sie vor sich ausgebreitet hatte. „Ja, vielen Dank, Dr. Armour. Wir werden sicher zahlreiche Fragen haben. Deshalb würden wir es
begrüßen, wenn Sie erreichbar sind."
„Selbstverständlich", erwiderte Jack lächelnd. Sein charmantes Auftreten war nur gespielt, doch außer Ramon bemerkte es niemand. „Zum Glück gibt es ja Handys."
Die anderen Vorstandsmitglieder erwiderten das Lächeln ein wenig verlegen, wobei sie Ramon anblickten. Sie befürchteten, dass der unbeherrschte Spanier sich nicht von der Stelle bewegen würde, und bereiteten sich innerlich auf eine unangenehme Sze ne vor.
Jack war allerdings nicht nur der Chef der Organisation, sondern auch eine starke Persönlichkeit, und so ging Ramon mit ihm, obwohl er leise fluchte. Er nahm seine Aktentasche und folgte ihm aus dem Konferenzzimmer.
Sobald sie auf dem Flur waren, rief er: „Verdammt! Warum habe ich nur den Mund nicht gehalten?"
Jack prüfte, ob sein Handy eingeschaltet war. „Das nächste Mal wirst du es bestimmt besser machen", antwortete er, ohne aufzublicken.
„Es ist alles meine Schuld. Ich hätte nicht die Beherrschung verlieren dürfen."
Jack betrachtete Ramon, und seine Augen funkelten humorvoll. „Immerhin hast du sie ganz schön beeindruckt, als du mit der Faust auf den Tisch geschlagen hast."
Der Spanier wirkte zerknirscht. „Hoffentlich habe ich nicht alles verdorben."
„Mach dir keine Gedanken. Jetzt müssen wir die Verhandlungen eben anders führen."
„Dich bringt wohl nichts aus der Fassung."
„Wenn man es von der richtigen Seite betrachtet, ist jeder Rückschlag auch eine Gelegenheit", zitierte Jack Ramons bevorzugten
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