Die Strandhochzeit
überflog mit geübtem Blick die kurze Speisekarte auf der Rückseite. „Das ist nur eine billige kleine Brasserie."
„Die junge Frau hat die Flugblätter vorhin verloren. Vielleicht geht sie abends gern dorthin oder ist dort angestellt."
„Vielleicht arbeitet sie auch nur für die Firma, die diese Blätter gedruckt hat." Ramon ahnte bereits, was Jack vorhatte, und wollte ihn um jeden Preis von seinem Plan abbringen. „Woher willst du wissen, wer bei dieser Angelegenheit im Recht ist?
Vielleicht stimmt-es, was Sugrue gesagt hat, und das Mädchen ist wirklich ein bisschen schwierig. Außerdem solltest du nicht schon wieder den edlen Ritter spielen."
Eine Weile sahen sie einander in die Augen und verstanden sich auch ohne Worte.
Ramon wandte zuerst den Blick ab. Das habe ich wirklich großartig gemacht, dachte er ironisch, drei Mal an
einem einzigen Tag.
„Jack, es tut mir wirklich Leid."
„Schon gut", erwiderte Jack ausdruckslos.
„Du hast doch gesehen, dass sie auf sich selbst aufpassen kann. Gleich bei der ersten Gelegenheit hat sie sich aus dem Staub ge macht. Und bestimmt ist sie von jetzt an auf der Hut, so dass dieser Typ sie nicht noch einmal erwischen wird."
„Wahrscheinlich", stimmte Jack ihm zu.
Seine Stimme klang munter, aber um seinen Mund zuckte es leicht. Ramon wusste, was das bedeutete. „Das Ganze geht uns nichts an", bekräftigte er verzweifelt.
„Außerdem sind wir nur noch zwei Tage hier - und was kann man in zwei Tagen schon erreichen? Du weißt ja noch nicht einmal, wie sie heißt."
Nachdenklich schob Jack ein noch auf dem Boden liegendes Flugblatt hin und her.
„Ich habe allerdings so eine Vermutung -und viel Zeit, bis das Komitee uns anruft."
„Du willst also wirklich nach ihr suchen?"
„Ich werde meinem Instinkt folgen", antwortete Jack. Er wirkte fest entschlossen.
Ramon kannte diesen Gesichtsausdruck allzu gut. Er gab auf.
2. KAPITEL
Holly stürzte blindlings aus dem Gebäude und zur Metro, denn sie wusste, dass sie in dem dort herrschenden Gedränge nicht leicht zu finden wäre. Erst als sie die Treppe bereits zur Hälfte hinuntergerannt war, fiel ihr der kleine Lieferwagen von Chez Pierre ein, den sie vor dem großen Gebäude im Parkverbot abge stellt hatte. Sie befürchtete, dass der Wagen abgeschleppt werden würde, wenn sie ihn dort noch lange stehen ließ.
Unvermittelt blieb sie stehen. Ein Mann prallte von hinten ge gen sie. Holly schrie vor Schreck auf und drehte sich um. Doch es war nur ein Passant, der einen leisen Fluch ausstieß und an ihr vorbei zur Metro hastete.
Holly presste sich die Hand aufs Herz, das wie wild klopfte. Nach einer Weile beruhigte sie sich, ging die Treppe wieder hinauf und trat ins Licht der hellen Frühjahrssonne. Ruhig bleiben, ermahnte sie sich. Das hier ist Paris und nicht Lansing Mills. Hier werden die Polizisten nicht nach Brendans Pfeife tanzen. Und er kann mich schließlich auch nicht auf offener Straße kidnappen.
Als Holly zum Lieferwagen ging, sah sie sich allerdings vorsichtig nach allen Seiten um. Zu ihrer unendlichen Erleichterung war Brendan Sugrue nirgends zu sehen - und ihr Retter auch nicht. Widerwillig musste sie sich eingestehen, dass diese Feststellung sie ein wenig enttäuschte.
„Es ist besser so", redete sie sich ein. „Ich brauche den schönen Jack nicht als Aufpasser." Sie stieg in den uralten Wagen und drehte den Zündschlüssel um, aber der Motor sprang nicht an. Wütend trommelte sie mit den Fäusten aufs Lenkrad. Sie konnte nichts tun, als abzuwarten, nachzudenken ... und sich zu erinnern.
Doch es war nicht Brendan mit seinen hinterhältigen Plänen und Schikanen, der ihr in den Sinn kam, oder Lansing Mills, wo sie sich immer eingeengt gefühlt hatte. Noch nicht einmal der Nachfolger ihres Vaters mit den sorgfältig manikürten Händen und den kalten blickenden Augen, die sie schließlich dazu ge bracht hatten, von zu Hause wegzulaufen. Stattdessen dachte sie an den ungeduldigen Mann mit dem breiten, sinnlichen Mund, der so viel Gelassenheit und Selbstbewusstsein ausgestrahlt hatte - und der sie gerettet hatte.
„Schluss jetzt!" schimpfte sie mit sich. „Ich habe in den letzten fünf Jahren nicht ein einziges Mal einen Retter gebraucht. Und jetzt tue ich es auch nicht - erst recht keinen überheblichen Kerl im Armani-Anzug!"
Als sie den Motor schließlich starten konnte und auf den Boulevard fuhr, konnte sie den Gedanken an Jack Armours dunkle Augen allerdings nicht ganz verdrängen -
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