Die Strandhochzeit
einen viel sagenden Blick auf die Überwachungskamera an der Decke des Aufzugs. „Ich habe die letzten drei Monate in Schlammlöchern und mit Bürokraten verbracht und hätte Lust, mich mal wieder richtig zu amüsieren - mit gutem Essen, gutem Wein und guter Musik."
„Das bedeutet, dass du nicht mit zu dem offiziellen Abendessen bei der internationalen Hilfsorganisation kommst und ich wieder allein hingehen muss", bemerkte Ramon resigniert.
„Verabrede dich doch mit einer Frau, und nimm sie mit dorthin", schlug Jack unbekümmert vor. „Du könntest zum Beispiel die Vorsitzende des Komitees fragen. Dein südländisches Temperament hat sie sehr beeindruckt."
Ramon erwiderte sein Lächeln. „Geh du doch mit einer Frau hin. Dann hätte ich endlich mal den Abend frei."
Jack lächelte noch immer. Aber seine Augen und seine Miene
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wirkten plötzlich ausdruckslos.
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O nein, dachte Ramon, ich Idiot! Schon das zweite Mal innerhalb einer halben Stunde.
Um seine Verlegenheit zu überspielen, fuhr er fort: „Du hättest die junge Frau, die das Essen gebracht hat, nach ihrer Telefonnummer fragen sollen - anstatt sie zu provozieren."
Jack schüttelte den Kopf. „Die war viel zu streitlustig." Doch zumindest schien sein Lächeln jetzt wieder von Herzen zu kommen.
Inzwischen war der Aufzug im Erdgeschoss angekommen, und sie stiegen aus. Ra mon warf einen misstrauischen Blick zurück auf die Kamera. „Meinst du, sie war eine Spionin?"
Jack musste lachen. „Nein, keine Angst. Wozu sollte jemand Männer ausspionieren, die in Katastrophengebieten Notunterkünfte errichten? Ich wollte vorhin nur verhindern, dass du dich negativ über das Komitee äußerst, denn das könnte böse Folgen haben.
Wachleute verkaufen gern kompromittierende Ausschnit te aus den Filmen, die mit den Überwachungskameras aufgenommen werden."
Ungläubig sah Ramon ihn an. „Woher weißt du das?"
Jack zuckte die Schultern. „Ich habe auch einmal in der Branche gearbeitet."
Das konnte der Spanier sich gut vorstellen. Sein Chef hatte früher praktisch jeden Job angenommen, um Geld für die Ar-mour-Katastrophenhilfe zu beschaffen.
„Allerdings nie in einem so modernen und vornehmen Gebäude wie diesem hier." Jack lächelte ironisch und blickte sich in der Eingangshalle um. Palmwedel bewegten sich sanft im Luftzug der Klimaanlage. Wasser plätscherte leise aus einem barocken Springbrunnen, und die Marmorwände glänzten. Überall standen Palmen. Ein nicht enden wollender Strom von Leuten war zu sehen, die kamen und gingen. Der Klang ihrer Schritte und Stimmen verlor sich in dem Raum, der so hoch wie eine Kathedrale war.
Plötzlich ließ Jack seine Aktentasche fallen und lief über den spiegelnden Boden der Halle. Verwirrt hob Ramon die Tasche auf. Dann sah er, was Jacks Aufmerksamkeit erregt hatte.
Es war die temperamentvolle junge Frau vom Lieferservice. Sie stand mit dem Rücken an der Wand. Ein großer, stämmiger Mann hatte sich drohend vor ihr aufgebaut.
Offensichtlich schrie er sie an, doch seine Stimme ging in dem riesigen Raum unter. Die junge Frau schien ihn ohnehin nicht zu hören. Ihre Miene war wie versteinert. Sie hatte panische Angst.
Ramon kannte diesen Ausdruck sehr gut und wusste genau, wie Jack auf das verängstigte Gesicht der jungen Frau reagieren würde. „O nein", sagte er und eilte ihm nach.
Nach den körperlichen Anstrengungen der vergangenen drei Monate war Jack ebenso schlank wie durchtrainiert. Aber der Gegner der jungen Frau hatte einen Körper wie ein Preisboxer, mit breiten Schultern und stämmigem Nacken. Er schien Jack körperlich überlegen zu sein, und trotzdem hatte dieser ihm mit einer einzigen Bewegung den Arm auf den Rücken gedreht und hielt ihn fest.
Ramon wusste, wozu Jack bei seinen seltenen Wutanfällen fähig war. Er eilte zu ihm.
Jack betrachtete den Mann, den er festhielt.
„Wer gibt Ihnen das Recht, Frauen zu belästigen?"
Der Mann blickte ihn überrascht und wütend zugleich an. Die junge Frau schien sich langsam zu entspannen. Die Panik war aus ihrem Gesicht gewichen. Ein goldbrauner geflochtener Zopf fiel ihr über die Schulter. Sie wirkte sehr jung und verletzlich.
Schwer atmend sagte sie: „Er hat kein Recht dazu! Ich habe nichts mit ihm zu tun."
Der Mann hatte sehr markante Gesichtszüge und aufwendig frisiertes Haar. Doch sein Blick war durch und durch bösartig.
„Tatsächlich nicht? Dabei habe ich ein Dokument, in dem steht, dass ich dein Vormund bin."
Sie
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