Die Strandhochzeit
und daran, wie schön es wäre, wenn ein Mann wie er ihr den Kampf mit Brendan abnehmen würde.
Holly versuchte, Jack Armour aus ihrem Gedächtnis zu verbannen. Und als sie abends zur Arbeit fuhr, war es ihr fast gelungen. Eine halbe Stunde nachdem der Club Thais aufgemacht hatte, betrat sie ihn wieder einmal über den Notausgang. Schnell streifte sie ihre Kleidung ab und zog ein schwarzes Top und die schwarzen Jeans an, die alle Angestellten tragen mussten.
„Du bist spät dran", bemerkte Gilbert, der Besitzer des Clubs. „Ist dein Mann dir wieder auf der Spur?"
Er legte Wert darauf, nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu ge raten. Also hatte sie ihm erzählt, ihr eifersüchtiger Ehemann könnte eines Tages im Club auftauchen und nach ihr fragen. Gilbert hatte sich bereit erklärt, ihr zu helfen.
Holly nickte, doch er hatte das Interesse an ihrem Privatleben offenbar schon wieder verloren. „Wie viele Flugblätter hast du verteilt?" erkundigte er sich.
„Alle", erwiderte sie und verdrängte den Gedanken daran, dass die Hälfte davon auf den Boden des großen Bürokomplexes gefallen war.
„Gut. Wir könnten ein paar neue Gäste gebrauchen. Heute Abend ist bisher nicht sonderlich viel Betrieb."
Holly glättete mit geübten Bewegungen die widerspenstigen Strähnen, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatten.
„Wenn Tobacco zu spielen anfängt, kommt sicher bald Stimmung auf." Tobacco war eine neue, bei den Stammgästen sehr beliebte Band.
Bestimmt werde ich heute nicht spielen, dachte Holly. Ihre Querflöte hatte sie bereits hinter den Kleidern verstaut.
„Wenn es nachher wirklich hoch hergeht, wirst du länger arbeiten müssen", stellte Gilbert fest. „Ist das in Ordnung?"
Holly nickte. Dann würde sie mehr Trinkgeld bekommen. Und wenn Gilbert einen großzügigen Tag hatte, würde er ihr auch einen Zuschlag geben. Den könnte sie gut gebrauchen, für den Fall, dass sie bald wieder flüchten musste. Brendan hatte nicht gewirkt, als würde er seine Jagd aufgeben.
Sie folgte Gilbert und prägte sich schnell die Gerichte ein, die auf einer Tafel standen.
Die Speisekarte des Club Thais änderte sich selten, denn die meisten Gäste kamen her, um zu tanzen, Musik zu hören und sich zu unterhalten.
Einen Moment lang war Holly traurig, denn in den vergangenen zehn Monaten war der Club für sie so etwas wie ein Zuhause geworden. Sie würde ihn vermissen. Aber es hatte keinen Sinn, traurig zu sein - darüber, dass sie von hier fortmusste, oder darüber, dass sie den schönen Jack nicht wieder sehen würde. „Lebe für den Moment", hatte ihre Mutter immer gesagt. Und in den letzten fünf Jahren hatte sie gemerkt, wie Recht ihre Mutter gehabt hatte.
Holly nahm ihren kleinen Block für die Bestellungen und hob das Kinn. „Auf geht's, Gilbert", erklärte sie fröhlich und stieß die Schwingtür zum Lokal auf.
„Warum mussten wir ausgerechnet hierher kommen?" Ramon stand am oberen Ende einer Treppe, die zu dem kleinen Lokal im Souterrain führte, und verzog das Gesicht. „O
nein, suchst du etwa immer noch nach diesem Mädchen?"
Jack lächelte ungerührt. „Du wolltest doch das echte Paris kennen lernen. Und außerdem lässt du dir sonst auch keine Gelegenheit entgehen, dich ein bisschen zu amüsieren."
„Aber nicht bevor unsere Verhandlungen abgeschlossen sind. Ich möchte morgen früh um acht keinen Kater haben, wenn wir zu der Besprechung gehen."
Jack gab allerdings nicht nach. „Komm schon, Ramon", sagte er, „es wird bestimmt eine interessante Erfahrung."
Leise fluchend gab Ramon sich geschlagen und folgte ihm widerstrebend in den dunklen Raum. Der unebene Boden war mit Steinplatten ausgelegt, und an den Wänden hingen Plakate, auf denen Dichterlesungen und Bands angekündigt wurden, von denen sie noch nie gehört hatten.
Sie setzten sich an einen wackeligen Tisch in der Ecke, der mit grobem Papier bedeckt war. Darauf stand eine halb herunterge brannte Kerze auf einer angeschlagenen Untertasse.
Etwa die Hälfte der Tische war besetzt. Auf der Bühne spielte ein einzelner Musiker auf einer Tabla, und die Gäste unterhielten sich angeregt. Jack bestellte eine Flasche Rotwein und sah sich aufmerksam um.
„O nein", platzte Ramon plötzlich heraus.
„Wo ist sie?" Jack blickte sich um.
„Bitte denk doch einmal nach ..."
Jack ignorierte ihn, winkte den Kellner herbei und fragte: „Wie heißt die junge Kellnerin mit dem langen Zopf?"
„Holly", erwiderte der Mann und musterte ihn
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