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Die Strasse der Oelsardinen

Titel: Die Strasse der Oelsardinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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hörte er das Geplätscher der Unterhaltung und die Musik aus dem Phonographen. Frankie arbeitete lautlos.
Zuerst das Tablett... dann die Gläser aus dem Schrank...
Vorsicht, daß keines kaputtgeht! Jetzt das Bier. Einschenken...!
Der Schaum muß sich erst ein bißchen setzen, dann nachfüllen ... Alles bereit. Er holte tief Atem, öffnete die Tür. Musik, Geplauder, Gelächter umwogten ihn; er hob das Tablett mit dem Bier, ging zur Tür hinaus, ging geradewegs auf die junge Frau los, die ihm damals gedankt hatte, und da - dicht vor der Dame - geschah es, daß die Verbindung aussetzte. Die Muskeln verspannten sich. Die Hände zuckten. Die Nerven telegraphierten einer Zentrale, die keine Antwort gab, und das Tablett mit den Gläsern platschte der jungen Dame im hochlehnigen Sessel über den Schoß.
Einen Moment stand Frankie reglos da; dann drehte er sich um und rannte hinaus.
Die Gesellschaft saß stumm. Man hörte, wie Frankie die Kellertreppe hinuntertappte. Ein hohles, scharrendes Geräusch noch - dann war es still.
Doc ging ihm leise nach. Frankie hatte sich tief in die Holzwolle eingegraben. Doc hörte sein dünnes Wimmern, stand eine Weile nachdenklich vor der Kiste und wartete. Doch es gab nichts, auf der ganzen Welt nichts, was sich da tun ließ. Still ging er wieder die Treppe hinauf.

11. Kapitel
    Das Auto Chongs war ein Ford Modell T und hatte eine ehrwürdige Vergangenheit hinter sich. 1923 war es ein Tourenwagen gewesen und im Besitz Dr. W. T. Waters, der es fünf Jahre lang fuhr und dann an einen Versicherungsagenten namens Rattle abstieß. Dieser, ein nachlässiger Mensch, fuhr den in gutem Zustand übernommenen Wagen wie ein Besessener. Unter seinen alkoholischen Exzessen litten die Kotflügel. Außerdem fuhr er mit der Bremse, und die Beläge mußten dauernd erneuert werden. Als er obendrein noch etliche Versicherungsprämien unterschlagen und sich nach San José abgesetzt hatte, erwischte man ihn, ehe zehn Tage verstrichen, in Gesellschaft einer Platinblondine und sperrte ihn ein.
Der Wagen war von diesen Ereignissen so mitgenommen, daß ihn sein nächster Eigentümer auseinanderschnitt und einen kleinen Wagenkasten ansetzte.
Der nächstfolgende Besitzer, Francis Almones, war Fischlieferant und Liebhaber frischer Luft. Er beseitigte den vorderen Aufbau samt Windschutz. Er führte übrigens ein trauriges Dasein, denn er verdiente immer ein bißchen weniger, als er zum Leben brauchte. Sein Vater hatte ihm eine Kleinigkeit hinterlassen, aber so sorgsam Francis auch auf alles achtete, sosehr er auch schuftete, sein Geld wurde immer weniger. Dann saß er auf dem trockenen, ging pleite, ging unter.
Den Lieferwagen erhielt Lee Chong für unbezahlte Waren.
Aber der ganze Kraftwagen war zu dieser Zeit schon so kraftlos, daß seine Pflege ganz besonderer Sorgfalt bedurft hätte, wovon bei Lee keine Rede war. Wie ein seniler Klepper stand der Ford Modell T hinter dem Krämerhaus zwischen Unkraut, und wilde Malven ringelten sich um seine Speichen. Die Vorderräder waren aufgebockt; die Reifen der Hinterräder hielten vorläufig noch.
Vielleicht hätte jeder der Palace-Jungen den Karren wieder in Gang bringen können, denn sie waren allesamt tüchtige Mechaniker, aber mit Gay - kein Vergleich. Man denke sich einen Mann, der kommt, guckt, horcht, klopft, schraubt, und die Maschine läuft! Und wenn sie schon vorher lief, läuft sie noch besser, wenn er chauffiert. So einer war Gay. Leise und weise glitten seine Finger über Getriebe, Scheiben, Zylinder, Rohre und Schrauben. In Docs Labor wurde er mit den empfindlichsten Apparaten fertig. Wenn er gewollt hätte, hätte er immerzu in den Konservenfabriken Arbeit gehabt. Denn dieser Industrie, die jammert, wenn sie ihre Investitionen nicht jedes Jahr aus den Profiten zurückgewinnt, ist der Zustand ihrer Maschinen lange nicht so wichtig wie Kurszettel und Saldo. Wenn sie mittels Buchhaltung Sardinen einlegen und konservieren könnten, ja, das würde den Fabrikherren so passen! Aber da sie altersschwache, in Todeszuckungen röchelnde Schreckbilder von Maschinen benutzten, mußte ein Mann wie Gay seine Augen überall haben.
Mack weckte die Jungens in aller Frühe. Sie tranken Kaffee und schoben sogleich zum Ford Modell T hinüber, der dort zwischen dem Unkraut lag. Gay hatte den Oberbefehl. Er trat gegen die aufgebockten Vorderräder. »Besorgt irgendwo eine Pumpe und pumpt die Pneus auf!« Hierauf stach er mit einem Stock in den Benzintank unter dem Sitzbrett, und

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