Die Strasse der Oelsardinen
es, sich an irgend etwas zu klammern, und seit einer Stunde waren sie nur auf sich selbst angewiesen. Doc trennte und ordnete sie in langen Reihen, worauf jeder Stern allmählich die Arme ausstreckte und auf dem Boden ein völlig symmetrisches Muster entstand. Docs brauner Spitzbart dampfte vor Schweiß. Als Mack eintrat, sah er beunruhigt von seiner Arbeit auf. Nicht, als ob mit einem Besuch Macks stets Unannehmlichkeiten verbunden gewesen wären, aber irgendeine Unruhe kam immer mit ihm herein.
»Geht's gut, Doc?« grüßte Mack.
»Es geht so«, dankte Doc reserviert.
»Hast du gehört, Doc - Phyllis Mae, drüben im Restaurant Flotte Flagge? Hat einem Besoffenen mit der Faust eine versetzt, und da ist ihr ein Zahn im Handballen steckengeblieben. Die Infektion reicht schon bis in den Ellenbogen. Sie hat mir den Zahn gezeigt; er ist aus einer Gaumenplatte. Ist künstliches Gebiß giftig, Doc?«
»Alles, was aus Menschenmund kommt, ist giftig«, verkündete Doc. »War sie beim Arzt?«
»Der Nachtwächter hat sie verarztet.«
»Ich bring' ihr ein paar Sulfonamide«, versprach Doc. Er wartete immer noch auf Macks Angriff, denn er kannte ihn, und Mack wußte das. Fragte daher ganz schlicht und bieder: »Brauchst du nicht etwas Viehzeug, Doc?«
Doc atmete auf, blieb aber auf der Hut. »Warum?«
»Ich will dir offen gestehen, Doc«, spielte Mack den Treuherzigen weiter, »wir brauchen Geld. Für einen guten Zweck, eine würdige Sache.«
»Für die Blutvergiftung von Phyllis?«
Mack sah die Chance, die sich da bot, erwog sie und ließ sie fallen. »Etwas viel Wichtigeres, Doc«, behauptete er, »etwas ganz anderes. Phyllis, ach weißt du, so eine Schnepfe ist ja nicht umzubringen, aber ich und die Jungens, wir brauchen Geld, und da dachten wir halt, wenn du irgendwelchen Bedarf hättest, könnten wir es beschaffen und uns dabei ein bißchen Kleingeld verdienen.«
Doc legte noch eine Reihe von Seesternen zu den übrigen.
Macks Angebot schien ihm einleuchtend. »Drei- bis vierhundert Frösche könnte ich gebrauchen. Ich würde sie mir selbst besorgen, aber ich muß heute nacht nach La Jolla, damit ich morgen zur Ebbe rechtzeitig dort bin; ich brauche ziemlich viele Polypen.«
»Wie stehen Frösche?« erkundigte sich Mack. »Noch immer fünf Cent das Stück?«
Doc bejahte, worauf ihm Mack aufgeräumt versicherte, er brauche sich wegen der Frösche keine weißen Haare wachsen zu lassen. »Du bekommst sie, nur keine Angst! Wir fangen sie oben am Carmel River; ich kenne da eine Stelle -«
»Schön«, sagte Doc, »ich brauche mindestens dreihundert Stück; ich nehme aber, soviel ich nur kriegen kann.«
»Sei getrost, Doc, wir liefern dir deine Frösche; wir liefern sogar das Doppelte; wir liefern sogar das Dreifache! Sag einmal« - ein leichtes Gewölk zog über sein Angesicht -, »kannst du uns für die Fahrt ins Valley nicht deinen Wagen leihen?«
»Nein«, lehnte Doc ab, »ich habe dir ja gesagt, ich muß heute nacht nach La Jolla, um morgen die Ebbe ausnutzen zu können.«
»Schade! Aber das macht weiter nichts; vielleicht überläßt uns Lee leihweise seinen alten Karren.« Macks Miene hellte sich auf.
»Da wären wir uns also einig. Wie wär's mit einem kleinen Vorschuß, Doc, für Benzin? Lee gibt uns keinen Kredit mehr.«
Das hatte Doc kommen sehen. »Nein«, lehnte er abermals ab.
Er gedachte dabei eines großen, vierzehntägigen Schildkrötenfangs, den er seinerzeit Gay finanziert hatte. Ehe noch die vierzehn Tage herum waren, saß Gay auf Grund einer Anzeige seiner Frau im Loch, und die bevorschußten Schildkröten konnte Doc in den Schornstein schreiben.
»Ja...«, sagte Mack traurig, »dann wird's wohl nicht gehen...«
Nun brauchte Doc die Frösche notwendig, aber er wollte sichergehen. Es handelte sich um ein Geschäft und nicht um Wohltätigkeit. »Ich mache dir einen Vorschlag, Mack: ich gebe dir eine Anweisung an die Tankstelle für, sagen wir, zehn Gallonen, wie wär's?«
»Fein«, lächelte Mack, »damit kommen wir aus. Morgen in aller Frühe fahren wir los, und bis du vom Süden zurück bist, hast du mehr Frösche, als du im Leben gesehen hast.«
Doc trat an sein Pult und schrieb an Red Williams' Tankstelle eine Anweisung auf zehn Gallonen Benzin. Mack steckte sie schmunzelnd ein. »Darauf kannst du ruhig schlafen, Doc. Bis du wieder zurück bist, hast du Frösche, daß du damit die Nachttöpfe von ganz Monterey anfüllen kannst.«
Nicht ohne Besorgnis sah Doc seinen Geschäftspartner von hinnen ziehen.
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