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Die Strasse der Oelsardinen

Titel: Die Strasse der Oelsardinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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er von dem Eigentümer nicht zu Jimmy Brucia eingeladen worden. Warum aber hatte Jimmy gerade Geburtstag? Ungezählte Millionen von Möglichkeiten gibt es im Weltlauf. Aber von all diesen Millionen traten an diesem Unglücksabend ausschließlich solche ein, die in das Gefängnis von Salinas führten.
Warum hatten Tiny Colletti und Sparky Enea sich gerade an diesem Tag wieder versöhnt und halfen Jimmy Brucia seinen Geburtstag feiern? Man trinkt und singt italienisch, das Orchestrion spielt, ein nettes Mädchen vom Strich kommt auch noch dazu; Gays neuester Freund will Sparky Enea den allerneuesten Griff zeigen, der Griff geht daneben. Es kommt nur zu einem kleinen Handgelenkbruch. Der Polizist leidet an verdorbenem Magen. Ja, das sind lauter unerhebliche Einzelheiten, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Und doch zielen alle ins gleiche Loch. Das Schicksal wollte Gays Beteiligung an der Froschjagd nun einmal nicht und bot daher Gott weiß was für Zwischenfälle und Leute auf, ihn davon abzubringen, und als dann die große Scheibe im Schuhgeschäft vis-à-vis in Trümmer ging und die Gesellschaft in ihrer fröhlichen Stimmung die Schuhe im Schaufenster ausprobieren wollte - der reine Zufall, daß da Gay nicht die Sirene der Feuerwehr hörte. Die Folge: während sich die andern gemütlich den Dachstuhlbrand ansahen, fand die Polizei unsern Gay ganz allein im offenen Schaufenster, am rechten Fuß einen Lackpumps und links einen Chevreauschuh mit grauem Tucheinsatz.
Doch zurück zum Ford! Es war dunkel um ihn geworden, vom Meer zog Kälte herauf; die Kiefern rauschten im Seewind.
Die Burschen hatten ein Feuer entzündet und legten sich auf Kiefernnadeln zur Ruhe. Sie blickten durch das Geäst zu den einsamen Wolken, redeten eine Zeitlang, was für Schwierigkeiten Gay habe, bis er eine Schwimmernadel finde, und als es später und später wurde, kamen sie nicht mehr auf ihn zu sprechen.
Jemand hätte mitgehen sollen, dachte Mack.
Gegen zehn erhob sich Eddie. »Oben auf dem Berg ist ein Baulager«, sagte er, »da müßte sich doch ein Modell T auftreiben lassen! Ich will gleich einmal nachsehen!«

12. Kapitel
    Die Stadt Monterey blickt auf eine alte, glanzvolle literarische Tradition zurück. Kein Geringerer als Robert Louis Stevenson hat hier gelebt; das topografische Urbild seiner berühmten Schatzinsel ist zweifellos unser beliebter Ausflugsort Lobos. In Carmel, an dessen Bergeshang Mack und die Jungens nun festsaßen, haben sich neuerdings mehrere literarische Größen niedergelassen, aber das ist nichts im Vergleich zu den alten Zeiten, da in Monterey der große Humorist Josh Billings übernachtete und verstarb. Da hatte man hier vor einem Belletristen noch wahre Ehrfurcht.
Dort, wo heute das neue Postgebäude steht, befand sich zu jener Zeit eine tiefe Schlucht, in der Wasser floß. Ein Brückchen führte darüber. Links von der Schlucht stand ein schöner alter Luftziegelbau, ein Adobe, und rechts davon wohnte der Doktor, der alle Krankheiten, Geburten und Todesfälle von Monterey unter sich hatte. Er experimentierte auch mit Tieren und beschäftigte sich in letzter Zeit mit der Einbalsamierung Verstorbener; das hatte er als Student in Paris gelernt. Altmodische Bürger verwarfen zwar diese neue Gepflogenheit, teils als sentimentalen Unfug, teils als Geldverschwendung und teils als Gotteslästerung, denn in der Bibel war dergleichen nicht vorgesehen.
Aber die reichen Familien waren dafür begeistert, und so gehörte das Einbalsamieren bald zum guten Ton.
Eines Morgens, als sich der alte Mr. Carriaga von seiner Wohnung am Carmel zur Alvarado Street begab und eben über das Brückchen ging, fiel sein Blick auf einen Jungen und einen Hund, welche beide gerade aus der Schlucht herauskletterten.
Der Knabe hatte in der Hand eine Leber, der Hund im Maul einen Darm, den er meterlang hinter sich herzog und an dessen Ende ein Magen baumelte. Mr. Carriaga blieb stehen. »Guten Morgen!« wandte er sich mit der ihm eigenen Höflichkeit an den Knaben. »Guten Morgen, Sir!« antwortete ihm dieser sehr artig, denn zu jener Zeit waren die Kinder noch wohlerzogen.
»Wohin willst du mit dieser Leber?« fragte der alte Herr.
»Aufs Wasser, Makrelen fangen«, lautete die Antwort.
»Und der Hund?« lächelte der freundliche Alte. »Fängt der auch Makrelen?«
»Der Hund ist nicht unserer, Sir. Er hat das Zeug da unten gefunden, in der Schlucht; ich meines auch.«
Lächelnd ging Mr. Carriaga seines Weges, doch dann überlegte

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