Die Strasse der Oelsardinen
nie?«
Frankie blickte betreten, ging zum Ausguß und schrubbte die Finger. Das tat er von da an täglich so lange, bis sie rot und rauh wurden.
Er kam jeden Tag ins Labor. Es wurde kaum gesprochen, allein die Verbindung zwischen den beiden erwies sich als dauerhaft. Doc hatte durch telefonischen Anruf festgestellt, daß Frankie nicht gelogen hatte. Die Schule wollte den Jungen nicht. Er konnte nicht lernen; in seinem Kopf mußte etwas in Unordnung sein. Da fehlte irgendwo die Verbindung. Man konnte ihn in der Schule nicht brauchen. Er war kein Idiot; er war nicht gemeingefährlich, und seine Eltern oder Angehörigen wollten nicht dafür bezahlen, daß man ihn irgendwo versorgte. Er blieb nur selten über Nacht im Labor. Ab und zu kroch er abends in die Kiste mit Holzwolle und schlief darin; es geschah dies vermutlich immer, wenn daheim Krach war.
»Warum kommst du hierher?« fragte ihn Doc.
»Du schlägst mich nicht, und du gibst mir keinen Nickel«, antwortete das Kind.
»Schlägt man dich daheim?«
»Zu Hause sind immer Onkels. Es kommen Onkels, die schlagen mich und sagen, ich soll 'rausgehen, und es kommen Onkels, die geben mir einen Nickel und sagen, ich soll 'rausgehen.«
»Wo ist dein Vater?«
»Tot«, sagte Frankie, schien es aber nicht recht zu wissen.
»Wo ist deine Mutter?«
»Bei den Onkels.«
Doc schnitt Frankie die Haare und entlauste ihn. Bei Lee Chong kaufte er ihm ein Paar Hosen und einen gestreiften Pullover.
Frankie wurde sein ergebener Sklave. »Ich habe dich lieb«, sagte er eines Nachmittags, »ich hab' dich lieb.«
Er wollte im Labor arbeiten. Er fegte es jeden Tag aus, aber er bekam den Boden nie richtig sauber.
Er wollte helfen, Krebse nach der Größe zu sortieren. In einem Eimer lagen sie alle durcheinander, und nun sollten sie auf großen Pfannen geordnet werden: die drei Zoll großen in die erste, die vier Zoll großen in die zweite und so fort!
Frankie versuchte es; der Schweiß trat ihm auf die Stirn, aber er brachte es nicht zusammen, Größenverhältnisse gingen ihm nicht in den Kopf.
»Aber nein«, belehrte ihn Doc, »sieh mal genau her! Lege den Krebs hier neben deine Hand! Da siehst du doch, wie lang sie sein müssen. Siehst du's? Der da geht von diesem Fingerchen bis zu dem. Jetzt nimm einen anderen Krebs! Siehst du, der geht genauso weit. Den mußt du zu seinem Bruder tun!«
Frankie probierte. Es ging nicht. Als Doc in sein Studierzimmer ging, kroch der Kleine traurig in die Holzwolle und kam den ganzen Tag nicht mehr zum Vorschein.
Er war ein netter, guter und treuer Junge. Er lernte, Doc die Zigarre anzuzünden, und als er es konnte, wollte er, Doc solle immerzu rauchen, damit er ihm Feuer geben könne.
Frankie hatte es gern, wenn oben eine Party war und ihm die Töne des Plattenspielers wunderbar an das Herz pochten; das war ihm von allem am liebsten. Dann verkroch er sich meist hinter einen Sessel in einer Ecke; da konnte er lauschen und schauen, und niemand sah ihn. Und wenn ein Gelächter entstand und man über etwas scherzte, was er nicht verstand, lachte er hinter dem Sessel entzückt. Wenn sich die Unterhaltung abstrakten Themen zuwandte, furchte sich seine Stirn, und er paßte genau und gewissenhaft auf.
Eines Nachmittags leistete er sich eine gewaltige Kühnheit. Im Labor war eine kleine Party. Doc füllte in der Küche Bier in die Gläser, als Frankie neben ihm auftauchte, ein Glas Bier ergriff, durch die Tür damit und hinüber ging und es einem jungen Mädchen brachte, das in einem hochlehnigen Sessel saß. »Oh, ich danke dir!« sagte sie mit freundlichem Lächeln. Doc stand in der Tür und belobte das Wagnis: »Ja, Frankie ist eine große Hilfe für mich.«
Das vergaß Frankie nie... Wie er das Glas genommen... wie das Mädchen da saß und ihre Stimme... oh, ich danke dir... und Doc... eine große Hilfe für mich, ja, Frankie ist eine große Hilfe... und Gott... o Gott...
Daran, daß Doc Beefsteak kaufte und viel Bier und er ihm helfen durfte, die Treppe zu reinigen, merkte Frankie, daß wieder eine Einladung bevorstand. Frankie ist eine große Hilfe für mich...
Ein bedeutendes Vorhaben dämmerte in Frankies Hirn. Alles stand ihm genau vor Augen. Er überdachte es wieder und wieder, und es war wundervoll, es war vollkommen...
Die Party begann. Leute kamen und saßen im vorderen Zimmer, Mädchen und junge Frauen und Männer.
Frankie wartete nur darauf, daß die Küche ihm ganz allein gehörte. Endlich war es soweit, und er war allein. Durch die geschlossene Tür
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