Die Strasse der Oelsardinen
musterte die Gesellschaft. Seine Wahl fiel auf den Kleinsten, der in seinem blauen Anzug wie ein Geschäftsreisender aussah. Er hatte nachdenkliche dunkle Augen und tiefe Falten um Nase und Mund.
»Nach Süden?« fragte er Doc verdrossen.
Dieser bejahte: »Aber nur eine kurze Strecke.«
»Darf ich mit?«
»Steigen Sie ein!«
Bis Ventura, wo Doc nur um einen Schluck Bier zu trinken hielt, denn er war von dem reichlichen Mittagsmahl noch satt, hatte sein Fahrtgenosse noch kein Wort geredet. »Trinken Sie auch etwas?« fragte Doc beim Parken.
»Nein«, versetzte der Tramper, »und ich finde es unverantwortlich von Ihnen, in alkoholisiertem Zustand zu chauffieren. Was Sie mit Ihrem eigenen Leben anfangen, ist mir ja gleichgültig, Mister, aber ein Auto kann in der Hand eines besoffenen Chauffeurs zur Mordwaffe werden.«
Doc stand verwundert. »Steigen Sie aus!« bat er sanften Tones.
»Wa-as?«
»Wenn Sie nicht draußen sind, bis ich bis zehn gezählt habe, bekommen Sie von mir einen Kinnhaken - also: eins - zwei - drei -«
Der Mann rüttelte am Türgriff und stieg aus, die Augen furchtsam auf Doc gerichtet. »Ich hole die Polizei!« schrie er, als er draußen war, »ich lasse Sie festnehmen!«
Doc zog aus dem Werkzeugkasten einen Schraubenschlüssel hervor. Sein Gast, dies sehend, verschwand. Doc trat verstimmt an den Ausschank.
Die Kellnerin, eine blonde Schönheit mit einem Anflug von Kropf, fragte ihn mit gewinnendem Lächeln: »Was darf es sein?«
»Ein beer milk shake !« bestellte der Doktor.
»Ein was?«
Jetzt oder nie! dachte Doc: Da es denn doch einmal sein muß!
»Soll das ein Witz sein?« fragte die Blonde gereizt, und Doc sah ein, er durfte auch diesmal nicht bei der Wahrheit bleiben.
»Ich habe ein Ekzem, Miss«, erklärte er, »Bipalychaetorsonectomie nennen es die Ärzte. Dagegen hilft nur ein beer milk shake ; was will man machen? Ärztliche Verordnung!«
Da überflog ein schelmisches Lächeln die Miene der Kellnerin.
»Oh! Und ich dachte schon, Sie wollten sich einen Spaß mit mir erlauben! Sagen Sie mir nur, bitte, wie ich's zu machen habe; ich wußte ja nicht, daß Sie krank sind.«
»Sehr krank«, betonte Doc, »und werde von Tag zu Tag kränker. Nehmen Sie so viel Milch wie sonst auch und geben Sie eine halbe Flasche Bier dazu. Keinen Zucker! Den Rest Bier trinke ich pur.«
Sie mixte, servierte; er kostete und verzog das Gesicht. Dabei war es nicht einmal so schlimm. Es schmeckte genau wie abgestandenes Bier mit Milch drin. »Muß doch schrecklich sein«, meinte die Blonde.
»Wenn man daran gewöhnt ist«, antwortete Doc, »ist es nicht schlimm. Ich trinke es schon seit siebzehn Jahren.«
18. Kapitel
Die Fahrt ging gemächlich weiter. Beim Halt in Ventura war es schon spät am Nachmittag; daher verweilte er in Carpentaria nur, um ein Käsesandwich zu essen und rasch auf die Toilette zu gehen. In Los Angeles wollte er dann gründlich zu Nacht speisen. Es war schon dunkel, als er dort ankam. Er hielt vor einem Schnellrestaurant, wo er sich an Hähnchen mit Pommes frites, Waffeln und Honig, einem Stück Ananastorte und Blue Cheese gütlich tat, die Thermosflasche mit heißem Kaffee füllen ließ und fürs Frühstück zwei Flaschen Bier und sechs Schinkenbrote mitnahm.
Die Nachtfahrt war für ihn kein Genuß. Keine Menschenseele war unterwegs, auf der Landstraße vor ihm nur das Licht seiner Scheinwerfer. Er beschleunigte das Tempo und war endlich um zwei Uhr am Ziel. Er fuhr ohne Aufenthalt durch La Jolla bis zu dem Felsenvorsprung, unterhalb dessen sich, noch vom Meer überflutet, seine Jagdgründe ausbreiteten. Dort stoppte er, aß ein Schinkenbrot, trank etwas Bier, schaltete die Lichter aus und legte sich zusammengekrümmt auf dem Sitz seines Wagens schlafen.
Er brauchte nicht auf die Uhr zu sehen. Die Gezeiten lagen ihm so im Blut, daß er deren Wechsel bis tief in den Schlaf hinein spürte. Er erwachte im Frühdämmer und spähte durch die Windschutzscheibe seewärts. Die Wogen zogen sich schon vom Ufergeröll zurück. Er nahm etwas heißen Kaffee und drei Sandwiches zu sich und goß auf diese Unterlage ein Viertel Bier.
Unmerklich entfernt sich die Flut. Langsam erscheinen und wachsen Steine und Klippen. Wo Ozean war, erscheinen große und kleine Pfützen, nasses Schlinggewächs, Schwämme, Moos und ein regenbogenfarbener Schimmer. Der Auswurf des Meeres breitet sich aus. Muscheln und Muschelreste, Skelette, Gräten und Scheren. Der Meeresboden ist ein gewaltiger Friedhof, doch einer, auf dem
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