Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Strasse der Oelsardinen

Titel: Die Strasse der Oelsardinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
Vom Netzwerk:
uns, im Tang zwischen zwei Felsen. Ein Mädchen.«
»Da können Sie eine Prämie beanspruchen«, versicherte der Ortsansässige, »für jeden Leichenfund gibt es bei uns eine Belohnung, ich weiß nicht genau wieviel.«
Doc stand auf, nahm seine Sachen. »Wollen Sie, bitte, die Meldung erstatten; ich fühle mich nicht recht wohl.«
»Hat Ihnen einen Schock versetzt, was? Sieht wüst aus? Ist sie schon angefressen?«
Doc wandte sich ab. »Lassen Sie sich die Prämie geben«, bat er, »ich will keine.« Er ging zum Wagen, den hohen Flötenton noch im Ohr.

19. Kapitel
    Noch nie hatte eine Reklameveranstaltung des Kaufhauses Holman derart eingeschlagen wie dieser Eisläufer, der Tag für Tag, zwischen Himmel und Erde auf seiner kleinen runden Plattform schwebend, im Kreise fuhr. Bei Dunkelheit sah man seine dunkle Kontur gegen den Himmel, und jedermann wußte, er hielt oben aus, er kam nicht herunter. Dies war das Entscheidende.
Daher hatte niemand etwas dagegen, daß bei Nacht durch die runde Eisfläche eine Stahlstange gesteckt wurde, an der er sich festband. Doch setzte oder legte er sich nie nieder. Die Leute kamen aus Jamesburg und von der ganzen Küste bis hinunter nach Grimes Point, eigens um ihn zu sehen. Aus Salinas strömte das Volk in Scharen, und das dortige Kaufhaus für Farmerbedarfsartikel bemühte sich bereits um das nächste Auftreten des Luft-Eisläufers, bei dem er seinen in Monterey zu erringenden Rekord abermals schlagen und damit den Weltrekord von Salinas aufstellen sollte! Denn es gab wenig Flaggenmastläufer, und von diesen war unser Mann weitaus der beste. Seit Jahren brach er immer nur seinen eigenen Rekord.
Mr. Holman war von dem Reklameergebnis mehr als befriedigt. In seinem Warenhaus gab es gleichzeitig Resteverkauf, Weiße Woche, Geschirrmarkt und Große Okkasion in Aluminiumwaren, und die Menschen stauten sich vor dem Kaufhaus und starrten zu dem einsam Schwebenden hinauf.
Am zweiten Tag seines Rekordlaufs rief er von seiner Höhe einen Protest in die Tiefe: es werde nach ihm geschossen, »mit einem Luftgewehr«, worauf das Reklamebüro sogleich alle Hebel in Bewegung setzte und mit gewohnter Findigkeit den Missetäter in Gestalt des alten Doktor Merrivale feststellte, der, hinter den Vorhängen seines Sprechzimmers verborgen, mit einer Daisy-Luftbüchse Bolzen abschoß. Man sah jedoch von einer Anzeige ab, denn der Doktor versprach sofortige Einstellung seiner Schießübungen. Er war ein prominentes Mitglied der Freimaurerloge.
Henri, der Maler, wich nicht von seinem Stuhl vor Red Williams' Tankstelle, brütete über sämtliche, der Situation auf der Plattform gemäßen Philosophien und entschloß sich endlich, bei sich zu Haus eine ähnliche Plattform zu errichten, um die Sache am eigenen Leib auszuprobieren. Doch wenn auch die ganze Stadt von dem Himmelsläufer besessen war und die Geschäfte, die nicht in Sichtweite seines Stangenrondells lagen, an schlechtem Geschäftsgang beinahe zugrunde gingen - Mack und die Jungens schritten nur einmal an der Dachsensation vorbei, warfen einen Blick hinauf, dachten: wozu? und kehrten wieder in ihr Palace zurück.
Holman stellte ein Doppelbett ins Schaufenster. Darin sollte der Rekordbrecher unmittelbar nach vollbrachter Leistung schlafen, und zwar ohne die Schlittschuhe abzulegen. Die Herstellerfirma der Matratze war auf einem am Bettfuß befestigten Schildchen vermerkt.
Das Sportereignis war allgemeines Stadtgespräch. Doch ein Problem, das alle beschäftigte, wurde von niemand erwähnt.
Mrs. Trolat brütete darüber, als sie mit einer Tüte Zuckerzwieback die schottische Bäckerei verließ. Mrs. Hall aus dem Konfektionsgeschäft grübelte darüber nach. Die drei jungen Willoughby-Töchter platzten heraus, sobald sie nur daran dachten.
Aber nicht eine fand den Mut, die Frage öffentlich aufzurollen.
Doch da war Richard Frost, ein zart besaiteter und sehr kluger junger Mann, dem setzte besagtes Problem heftiger zu als allen anderen. Am Dienstag bereits wurmte es ihn, und am Donnerstag machte es ihn derart verrückt, daß er am Freitag abend sich einen antrank und nachts mit seiner Frau Krach bekam. Sie heulte und tat dann, als schliefe sie, bemerkte jedoch sehr genau, wie er aus dem Bett und in die Küche glitt, wo er noch einen zu sich nahm, sich hierauf leise und rasch ankleidete und das Haus verließ. Da heulte sie wie ein Hofhund, denn es war schon sehr spät, und sie war überzeugt, daß Richard sich nun in die Flotte Flagge begeben

Weitere Kostenlose Bücher