Die Strasse der Oelsardinen
werde.
Dieser jedoch ging festen Schrittes durch den Föhrenhain bis zur Lighthouse Avenue und dann linker Hand in Richtung Holman. In der Hosentasche trug er ein Fläschchen, aus welchem er, beim Kaufhaus angelangt, einen kräftigen Zug tat.
Die Stadt lag einsam und öde. Richard stand mitten auf der Straße und blickte empor zu der einsamen Eisläufergestalt, deren Konturen sich undeutlich von dem Nachthimmel abhoben. Geschwind nahm er noch einen Schluck, legte die hohle Hand an den Mund und rief mit belegter Stimme: »He!«
Keine Antwort. Er sah sich scheu um, ob niemand von der benachbarten Wache im Anzug sei, und rief nochmals und lauter: »He!«
»Was wollen Sie?« kam es verdrießlich von oben.
Da legte Richard die Hände, zum Schallrohr gewölbt, an den Mund und rief hinauf: »Wie gehen Sie denn aufs Häuschen?«
Und die Stimme antwortete ihm: »Ich habe ein Einmachglas.«
Da wandte sich Richard und wanderte seines Wegs zur Lighthouse Avenue, durch den Föhrenhain aufwärts und zurück in seine Behausung. Beim Auskleiden kam es ihm vor, als sei seine Frau wach. Als er sich niederlegte, brummte sie etwas wie eine Frage und machte ihm Platz im Bett.
»Er hat ein Einmachglas oben«, antwortete Richard.
20. Kapitel
Bei strahlender Morgensonne rollte der Modell-T-Kasten triumphierend durch die Cannery Row, hoppelte über den Rinnstein, durchschnitt kreischend das Unkraut auf dem Platz hinter Lee Chong und hielt an. Die Jungens bockten die Vorderräder auf, zapften den Rest Benzin aus dem Tank in einen Fünfgallonenkanister, nahmen die Frösche und begaben sich müde und wohlgemut in ihr Palace. Während die anderen im großen Ofen ein kräftiges Feuer anfachten, stattete Mack in aller Förmlichkeit Lee Chong einen Besuch ab, dankte ihm feierlich für die gütige Überlassung des Wagens und berichtete von dem außerordentlichen Erfolg, der ihrer Expedition beschieden gewesen. Lee lächelte scheu. Er wartete auf etwas, das unausbleiblich war.
»Jetzt haben wir unser Schäfchen im trocknen«, äußerte Mack beglückt. »Doc zahlt pro Frosch einen Nickel und wir haben an die tausend!«
Lee nickte. Das mit dem Preis stimmte.
»Schad, daß er nicht da ist!« fuhr Mack fort. »Mein Gott, wird er sich freuen, wenn er die Unmenge Frösche sieht!«
Lee nickte nochmals. Daß Doc nicht in Monterey war, stimmte ebenfalls.
»Übrigens -«, entfuhr es Mack wie ein spontaner Einfall, »wir sind im Augenblick etwas knapp bei Kasse -«, es klang, als sei so etwas bei ihm noch nie vorgekommen. Aber Lee Chong lächelte voll Verständnis und antwortete: »Nix Whisky.«
»Whisky?« tat Mack empört: »Wozu Whisky? Wir haben eine Gallone vom allerbesten bis obenhin voll. So einen hast du im Leben noch nicht über die Lippen bekommen! Es wäre mir und den Jungens ein Vergnügen, wenn du uns mit deinem Besuche beehren würdest.« Lee grinste vor Freude. Whisky hatten sie also; sonst würden sie ihn nicht dazu einladen.
Mack ließ nicht locker. »Ich und die Jungens sind knapp bei Kasse und haben elenden Hunger. Du weißt, was Doc für den Frosch bezahlt. Die Frösche sind da, aber Doc nicht. Und wir haben, wie gesagt, Hunger. Ich schlage vor - keine Angst, du kommst nicht zu kurz! -, du bekommst von uns für einen Dollar fünfundzwanzig Frösche. Das ist ein großzügiges Angebot.«
»Nein. Kein Geld«, lehnte Lee ab.
»Geld?« begann Mack das Spiel von neuem, »wozu Geld? Wir wollen nur was zu essen. Die Sache ist nämlich die: wir wollen für Doc, wenn er zurückkommt, ein Fest veranstalten. Zu trinken haben wir reichlich, aber es fehlt an Steaks und so was. Er ist so ein reizender Mensch. Zum Donnerwetter, wie deine Frau so fürchterlich Zahnweh gehabt hat - wer hat ihr da Opium gegeben, hä?«
Nun saß Lee in der Falle, denn er war Doc in der Tat zu Dank verpflichtet. Er konnte nur nicht recht einsehen, wieso seine Dankesschuld gegenüber Doc ihn dazu zwingen sollte, Mack Kredit zu geben.
Mack setzte ihm weiter zu. »Du bekommst die Frösche nicht etwa als Pfand, Lee, sondern als Eigentum; das ist so gut wie Geld, besser! Für jeden Dollar Lebensmittel fünfundzwanzig Frösche bar auf den Tisch des Hauses, und zu dem Fest bist du natürlich eingeladen.«
Lee beschnupperte den Vorschlag wie die Maus einen Käseschrank. Die Sache schien unverdächtig. Bei Doc waren Frösche so gut wie bares Geld. Der Preis war ein Standardpreis. Er aber hatte bei dem Handel zweifachen Profit: an den Fröschen und am Verkauf der Lebensmittel. Es drehte
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