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Die Strasse der Oelsardinen

Titel: Die Strasse der Oelsardinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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einen halben Schoppen Schlagsahne verzehrt. Um Mittag nahm sie bereits an Gewicht zu. Am Tag darauf zottelte sie schon ein wenig herum, und zum Wochenende war sie wieder ein richtiger Hund.
Endlich war eine Bresche in den mächtigen Wall des Unglücks geschlagen, und allenthalben verspürte man bald die wohltätigen Folgen. Die zerrissenen Netze wurden geflickt und wieder zum Fang benutzt. Dora erhielt einen Wink, sie könne ihr Haus wiedereröffnen. Earl Wakefield fing einen Seeskorpion mit zwei Köpfen und verkaufte ihn dem Museum zum Preis von acht Dollar. Der Bann war gebrochen, des Harrens ein Ende. Bei Doc wurden des Abends wieder Vorhänge zugezogen, und der gregorianische Kirchengesang tönte bis zwei Uhr nachts. Dann endete die Musik, und aus dem Hause kam niemand.
Nun erweichte sich auch das Herz Lee Chongs. Als hochherziger Chinese verzieh er Mack und Konsorten, schrieb die Froschschuld, die ihm von Anfang an Kopfweh verursacht hatte, in den Schornstein und brachte zum Zeichen seiner Vergebung den Jungens ein Fläschchen Old Tennis Shoes. Ihre Einkäufe auf dem Wochenmarkt hatten seine Gefühle verletzt. Nun aber war alles wieder gut. Sein Besuch aber fiel - und dies war ein glückliches Omen - zusammen mit Darlings erster selbständiger Tat seit der Krankheit. Als Lee mit seinem Geschenk das Palace betrat, zerriß sie mit Erfolg Hazels einziges Paar Gummischuhe, wozu ihre beglückten Herrchen begeistert Beifall klatschten.
Noch nie hatte Mack die Flotte Flagge aus geschäftlichem Interesse aufgesucht. Es wäre ihm dies wie Blutschande vorgekommen. Er benutzte vielmehr im Bedarfsfall ein Haus am Baseballpark. Als er daher durch Doras Haupteingang eintrat, vermutete niemand etwas anderes, als daß er ein Bier trinken wolle. »Ist Dora da?« fragte er Alfred.
»Was willst du von ihr?« forschte dieser.
»Ich muß sie etwas fragen.«
»Was?«
»Das geht dich einen Scheißdreck an«, versetzte Mack.
»Okay. Einen Moment. Ich will sehen, ob sie zu sprechen ist.«
Gleich darauf bat er Mack in Doras Privatbüro.
Die Herrin des Freudenhauses saß an ihrem Rollpult. Auf ihrem Haupt türmte sich das orangefarbene Haar in zahllosen Ringellöckchen. Die Augen waren von einem grünen Schutzschirm beschattet. Vor ihr lag ein altertümliches Hauptbuch für doppelte Buchführung, in dem sie mit einer stumpfen Feder Bilanz zog. Sie trug einen prächtigen rosaseidenen Morgenrock mit Spitzen am Hals und an den Handgelenken. Als Mack eintrat, schraubte sie sich auf ihrem Drehstuhl herum und sah ihn an.
Alfred stand in der Tür und wartete. Mack stand neben ihm und wartete, bis er die Tür von außen zugemacht hatte.
»Womit kann ich Ihnen dienen?« fragte Dora, nachdem sie den Besucher eine Weile, nicht ohne Mißtrauen, gemustert hatte.
»Ja, wissen Sie, Ma'am«, rückte Mack mit der Sprache heraus, »Sie haben doch sicher gehört, was wir bei Doc angestellt haben.«
Dora schob den Augenschirm nach hinten und steckte die Feder in einen altmodischen Spiralfederhalter. »Ja-a, davon habe ich etwas gehört.«
»Wir haben es Doc zuliebe getan. Ob Sie es glauben oder nicht - wir wollten ihm eine Party geben. Er ist nur zu spät gekommen, und - da ist uns die Sache halt über den Kopf gewachsen.«
»Ich bin davon unterrichtet«, bemerkte Dora. »Und was habe ich damit zu tun?«
»Tja«, machte Mack, »ich und die Jungens wollten Sie etwas fragen. Sie wissen, wieviel wir von Doc halten. Nun wollten wir Sie fragen: Was können wir Ihrer Ansicht nach tun, um ihm das zu zeigen?«
»Hm!« machte Dora, warf sich in ihrem Drehstuhl zurück, schlug die Beine übereinander, strich ihren Morgenrock über den Knien glatt, schüttete Zigaretten aus ihrem Päckchen, steckte sich eine an, dachte nach und sprach: »Ihr habt ihm eine Party gegeben, die er nicht bekommen hat. Gebt ihm jetzt eine, die er bekommt!«
»Das Ei des Kolumbus!« sagte Mack danach zu den Jungens, »diese Dora! Eine grundgescheite Person! Jetzt versteh' ich, wieso sie es bis zur Puffmutter gebracht hat, kein Wunder! Ein ganz verflixt gescheites Frauenzimmer!«

24. Kapitel
    Mary Talbot, das heißt Mrs. Tom Talbot, war eine aparte Erscheinung. In ihrem roten Haar spielten grünliche Lichter. Ihre Haut war wie Gold, durch welches ein zartes Grün schimmert, ihre Augen grün mit kleinen goldenen Tupfen, ihr Gesicht dreieckig: breite Stirn und Backenknochen, das Kinn schmal, nach unten spitz. Ihre Beine und Füße waren die einer Tänzerin, lang und schmal; beim Gehen schienen

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