Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Strasse der Oelsardinen

Titel: Die Strasse der Oelsardinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
Vom Netzwerk:
vor empfindlichen Gegenmaßnahmen. Es gab sehr viele, die sich in dieser Angelegenheit als die Tugendhaften aufspielten und dabei den letzten Rest Tugend seit langem verloren hatten. Am fiesesten war ein gewisser Tom Sheligan, der bei dem Fest mit Wonne mitgemacht hätte. Er hatte bloß nichts davon gewußt.
Mack und Genossen waren von der Gesellschaft ausgestoßen.
Selbst Sam Malloy redete nicht mehr mit ihnen, wenn sie an seinem Wohnkessel vorüberkamen. Da zogen sie sich in sich selbst zurück. Kein Mensch vermochte vorauszusagen, wie sie aus dieser Wolke herauskommen würden. Denn auf gesellschaftliche Ächtung gibt es zwei Arten der Reaktion: Entweder geht der Mensch gereinigt und gütiger daraus hervor, oder er wird schlecht, fordert die Welt heraus und verübt künftig noch schlimmere Taten; letzteres ist die häufigste Folge sozialer Brandmarkung.
Mack und Genossen wandelten auf dem schmalen Grat zwischen Gut und Böse. Sie waren lieb und freundlich zu Darling und untereinander verträglich und nachsichtig. Nachdem der erste Schock überstanden war, unterzogen sie das Palace einer Säuberung, wie sie diesem noch nie widerfahren war. Sie rieben die Metallteile des Ofens blank. Sie wuschen all ihre Kleider und Decken. Finanziell standen sie ja nicht schlecht. Hughie und Jones hatten Arbeit und brachten ihre Löhnung nach Hause. Die Lebensmittel kauften sie in der Oberstadt und auf dem Wochenmarkt. Lee Chongs vorwurfsvoller Blick war ihnen unerträglich.
Zu jener Zeit machte Doc eine sehr zutreffende Beobachtung, obwohl er dabei einen Punkt übersah.
Es war am 4. Juli. Doc saß mit Richard Frost im Labor. Sie tranken Bier, hörten ein neues Plattenalbum von Scarlatti und sahen zum Fenster hinaus. Auf einem dicken Balken vorm Palace saß Mack mit seinen Gefährten in der hellsten Vormittagssonne, und alle blickten zum Laboratorium herüber.
»Sieh sie dir an«, sagte Doc. »Das sind in Wahrheit unsere größten Philosophen. Ihnen ist alles bewußt, was je in der Welt geschah, und womöglich auch alles, was noch geschehen wird. Ich glaube, sie überleben die Mißhelligkeiten des Daseins besser als andere. In einer Zeit, da sich die Menschen aus Ehrgeiz, Nervosität, Habsucht selbst in Stücke reißen, sind sie gelockert, entspannt. All unsere sogenannten Erfolgreichen sind Leidende, Kranke mit verdorbenen Mägen, verdorbenen Seelen. Aber Mack und die Jungens sind gesund und innerlich merkwürdig sauber. Sie tun, was sie wollen. Sie stillen ihren Appetit, ohne sich etwas vorzumachen.« Er leerte sein Glas mit Genuß, der lange Satz hatte ihm die Kehle ausgetrocknet. »A-ah!« Er schnickte mit den Fingern. »Es geht doch nichts über so einen ersten Schluck!«
»Ich sehe an ihnen durchaus nichts Besonderes«, nörgelte Richard, »sie haben kein Geld, genau wie alle.«
»Sie könnten Geld scheffeln, wenn sie dafür ihr Leben zerstören wollten. Mack ist ein Genie. Wenn sie etwas wollen, sind die fünf von äußerster Klugheit. Aber sie haben einen zu genauen Einblick in die Natur der Dinge, um sich für irgendwelche Bestrebungen einfangen zu lassen.«
Hätte Doc um die Traurigkeit der Palace-Bewohner gewußt, er hätte vielleicht anders geredet, aber kein Mensch hatte ihm von dem gesellschaftlichen Boykott erzählt, der über Mack und Genossen verhängt war. Langsam füllte er wieder sein Glas. »Ich werde es dir beweisen. In einer halben Stunde passiert die Vierte-Juli-Parade die Lighthouse Avenue. Die fünf dort brauchen nur die Köpfe zu drehen, um sie zu sehen. Wenn sie aufstehen, können sie den Zug genau verfolgen, und wenn sie zwei Straßen weitergehen, zieht er ihnen an der Nase vorbei. Du siehst, jetzt sehen sie hierher. Ich wette mit dir zwei Liter Bier: Sie werden nicht einmal die Köpfe hinüberwenden.«
»Und wenn, was beweist das?«
»Was es beweist?« rief Doc. »Daß sie den ganzen Aufzug in- und auswendig kennen. Sie wissen, erst kommt der Wagen des Bürgermeisters, mit flatternden Bändern geschmückt, dahinter auf einem Schimmel der lange Bob mit dem Banner, hinter diesem der Stadtrat, dann zwei Kompanien der Garnison, die Elche mit ihren roten Schirmen, die Tempelritter mit weißen Straußenfedern und Schwertern, die Columbusritter mit roten Straußenfedern und Schwertern, und die Kapelle spielt auf - kennen sie alles, die Jungens, da brauchen sie gar nicht erst hinzusehen.«
»Den Menschen möchte ich sehen, der bei so einem Vorbeimarsch nicht hinguckt!«
»Also - wetten wir?«
»Gemacht!« rief

Weitere Kostenlose Bücher