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Die Strasse der Oelsardinen

Titel: Die Strasse der Oelsardinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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stand: »Tom, unser Held, sei gegrüßt!« Sie horchte. Nichts regte sich hinter der Tür. Bekümmert zog sie das Fußbänkchen unter dem Sofa hervor, deckte eine Serviette darüber, stellte vier kleine Schalen und Untertassen darauf und ihr Sträußlein in einem Weinglas graziös in die Mitte, ging in die Küche, setzte den Teekessel aufs Feuer und eilte in den Garten.
Randolphs Katze sonnte sich auf dem Gartenzaun. »Miss Randolph«, lud Mary sie ein, »es kommen heut ein paar Freundinnen zu mir zum Tee. Kommen Sie auch?« Die Katze rollte sich auf den Rücken und dehnte sich. »Nicht später als vier, wenn ich bitten darf! Mein Herr Gemahl und ich müssen abends zur Jahrhundertfeier des Blütenbundes.«
Hinter dem Haus saß Casinis Kitty unweit der Brombeerhecke und schnurrte; ihr Schweif bewegte sich heftig. »Mrs. Casini -«, kam Mary auf sie zu und fuhr im gleichen Moment vor Entsetzen zurück. Kitty Casini spielte mit einer lebenden Maus, schlug nach ihr mit unbewaffneter Pfote, die Maus krümmte sich, wehrte sich voll Verzweiflung; ein Hinterbein hing gelähmt. Die Katze ließ sie ein Stück laufen, doch nicht bis in den Schutz der dichten Hecke - schon war sie wieder über dem Mäuschen, weiße Krallen wuchsen aus ihren Pfoten hervor, schlugen ihm zierlich behende ins Rückgrat, rollten es, drehten es hin und her, und ihr Schweif zuckte vor Spannung und Mordlust.
»Tom! Tom!« Tom war eben im Einschlafen, als er den Aufschrei Marys vernahm. Er sprang aus dem Bett. »Was gibt's? Wo bist du?« Er hörte ihr Schluchzen, lief hinaus in den Garten und sah, was geschehen war. »Dreh dich um, Mary!« rief er und gab dem gemarterten Mäuschen den Tod.
Casinis Kitty war auf den Gartenzaun geklettert und verfolgte sein Treiben voll Zorn. Tom nahm einen Stein, warf nach ihr und traf sie am Bauch, daß sie vom Zaun fiel.
Im Haus weinte Mary leise in sich hinein, überbrühte den Tee und trug ihn auf. »Setz dich!« bat sie, und Tom lagerte sich auf den Boden neben den Schemeltisch. »Darf ich um eine Tasse für Erwachsene bitten?« fragte er.
»Ich kann Kitty Casini ja keinen Vorwurf machen«, erklärte Mary, »ich weiß doch, wie Katzen sind. Sie kann nichts dafür. Aber - ach, lieber Tom«, seufzte sie, »so etwas kann man doch unmöglich ein zweites Mal einladen! So gern ich sie an und für sich auch mag, ich bin ihr jetzt lange Zeit böse.« Sie äugte nach Tom und sah, die Kummerfalten waren von seiner Stirn geschwunden, die Augen waren nicht mehr umflort. Und sie fuhr fort: »Der Blütenbund nimmt mich die letzte Zeit dermaßen in Anspruch, ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht!«
Noch im gleichen Jahr veranstaltete Mary Talbot eine Schwangerschaftsparty, und es hieß allgemein: »Das Kind, das sie bekommt, wird einmal ein lustiges Leben haben!«

25. Kapitel
    Ganz Cannery Row und vermutlich ganz Monterey fühlte: ein Umschwung war eingetreten. Selbstverständlich, man soll nie an Vorzeichen und Vorbedeutungen glauben; das tut doch kein vernünftiger Mensch, daß er sich durch solchen Unsinn beeinflussen läßt! Auch in Cannery Row ist man nicht abergläubisch, Gott behüte! Man geht nur nicht gerade unter einer Leiter durch und spannt einen Schirm in der Wohnung auf. Doc war Wissenschaftler vom reinsten Wasser, Aberglauben für ihn ein Ding der Unmöglichkeit. Nur als er eines Nachts beim Nachhausekommen auf seiner Türschwelle weiße Blumen fand, berührte es ihn etwas unbehaglich. Und so geht es den meisten Einwohnern der Ölsardinen- und anderer Straßen. Sie glauben nicht daran, und es bewegt sie doch.
In Macks Gemüt bestand kein Zweifel darüber, daß über Palace Hotel und Grillroom düstere Schicksalswolken verweilt hatten. Er hatte das Unglücksfest von allen Seiten her betrachtet und war zum Ergebnis gelangt: das Unglück sei durch alle Ritzen gedrungen. Wie Bienenschwärme am Abend habe das Mißgeschick sie überfallen. Er fand: In solchen Fällen ist es das Klügste, man legt sich ins Bett, bis alles vorüber ist. Man kommt ja doch nicht dagegen an. Nein, Mack war nicht abergläubisch.
Nun aber durchdrang ein Glücksgefühl Cannery Row und strahlte von dort ins Weite. Doc hatte bei einer ganzen Reihe von Besucherinnen, den feinsten Damen, ein geradezu übernatürliches Glück, ohne daß er sich irgendwelche besondere Mühe gab. Das Pointerjunge im Palace wuchs wie die Stangenbohnen, und da es einen Stammbaum von hundert gutabgerichteten Vorfahren aufwies, fing es mit einemmal an, sich selbst zu

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