Die Strasse der Oelsardinen
Während des halben Monats, da ihr Lokal gesperrt blieb, fanden in Monterey drei Kongresse statt!
Die tiefe Enttäuschung der Kongreßdelegierten sprach sich herum, und so ging Monterey im Jahre darauf fünf großer Kongresse verlustig.
Doch war damit das Maß des Leidens noch nicht erschöpft.
Doc mußte, um das bei dem Fest in Scherben gegangene Glas zu ersetzen, ein Bankdarlehen aufnehmen. Ein gewisser Elmer Rechati übernachtete auf den Schienen der Southern Pacific und verlor dabei beide Beine. Ein unerwarteter Wirbelwind zerfetzte die Netze der Fischer, riß drei Fischerboote vom Ufer los und schleuderte sie in traurigem Zustand an den Del-Monte-Strand.
Für eine derartige Pechsträhne gab es keine Erklärung. Aber die ganze Stadt fragte sich, welch heimliche Freveltat eine solch unselige Folge von Mißhelligkeiten wohl ausgelöst haben könnte. Da schlug sich der eine reuevoll selbst an die Brust, ein anderer fand die Ursache in den Sonnenflecken, und ein dritter stritt auf Grund der Wahrscheinlichkeitsrechnung jeden Kausalzusammenhang ab. Nicht einmal die Herren Ärzte kamen bei der Geschichte auf ihre Rechnung, denn obwohl sich damals eine Menge Personen krank ärgerten, holten sie keinen Arzt. Denn diesem Übel war kein Kraut und kein Arzt gewachsen.
Was aber für Mack und die Jungens das ärgste war: Darling erkrankte! Nach fünf Fiebertagen war das mollige lebhafte Hündchen nur noch Haut und Knochen. Die lederfarbene Schnauze war rot, der Gaumen weiß, das Körperchen glühte und schlotterte. Darling verschmähte Essen und Trinken, von Tag zu Tag schrumpfte sie mehr zusammen, bis man durch die Haut ihres Schwänzchens jeden einzelnen Knorpel sah. Sie hatte anscheinend die Hundestaupe. Ein panischer Schrecken befiel Palace Hotel und Grillroom. Darlings Dasein war für alle ein Herzensbedürfnis geworden.
Sogleich gaben Hughie und Jones ihre Stellungen auf, um jeden Augenblick bei der Hand zu sein. Abwechselnd hielten sie bei ihr Krankenwache, machten ihr kühlende Umschläge, aber Darling wurde nur immer kränker und schwächer. Schließlich mußten sich, wenn auch nur ungern, Hazel und Jones dazu bequemen, Doc um Beistand zu bitten.
Sie fanden ihn über einer Gezeitentabelle, an der er emsig arbeitete und zugleich ein Hühnerragout verzehrte, das hauptsächlich aus Seegurken bestand. Die Delegation hatte den Eindruck eines etwas kühlen Empfangs.
»Wir kommen wegen Darling«, entschuldigten sie sich, »sie ist krank.«
»Was fehlt ihr?«
»Mack meint, sie hat Hundestaupe.«
»Davon verstehe ich nichts. Ich bin kein Tierarzt.«
»Aber Sie könnten das arme Tier vielleicht einmal ansehen?« bat Hazel. »Es geht ihr hundeschlecht.«
Während Doc Darling untersuchte, standen die fünf im Kreis um ihn herum. Er sah ihr in die Augen, in den Mund, den Hals und fühlte das Fieber in den Ohren. Seine Finger glitten über die Rippen, die gleich Dornen hervorstanden, und über das kranke Rückgrat. »Frißt sie?« fragte er.
»Keinen Bissen«, antwortete Mack.
»Ihr müßt sie füttern, meinetwegen gewaltsam - kräftige Suppen, Eier und Lebertran.« Damit begab er sich wieder zu seinen Tabellen und dem Ragout. Die Zurückbleibenden empfanden sein Verhalten als ausgesprochen kühl.
Aber sie hatten nun wenigstens etwas zu tun. Die Fleischbrühe, die sie kochten, war stark wie Whisky. Sie flößten Darling Lebertran ein, ganz weit hinten, so daß wenigstens etwas hinunterrutschte. Sie hielten ihr den Kopf fest und machten aus ihren Kinnbacken einen Trichter, durch den sie dem Tier Suppe ins Maul gossen. Wenn Darling nicht ersticken wollte, mußte sie alles hinunterschlucken. Dies wiederholten sie alle zwei Stunden.
Bisher hatten sie schichtweise geschlafen. Jetzt wachten die fünf ununterbrochen. Stumm saßen sie da und warteten auf die Krisis.
Am Morgen in aller Frühe trat sie ein. Die Jungens dösten auf ihren Stühlen. Nur Mack war wach, sein Blick auf die Geliebte gerichtet. Da sah er, wie ihre Ohren zuckten - jetzt noch einmal - die Brust hob sich - mit unbeschreiblicher Mühe raffte sie sich auf ihre Beine, die spindeldürren, schleppte sich zur Tür, schlapperte vier Schlückchen Wasser und fiel hin.
Mack weckte die anderen mit lautem Gebrüll. Er tanzte vor Freude. Alle schrien so toll, daß es drüben der Nachtwächter Alfred hörte und dachte, sie gäben ein Fest. Auch Lee, der eben den Abfallkübel vors Haus stellte, hörte den Krach, aber er brummte nur vor sich hin.
Um neun hatte Darling ein rohes Ei und
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