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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Unseligen zu geben. »Das macht Apophis mit Absicht«, sagte er ergrimmt. »Er benutzt sein Volk, damit wir die Stadt nicht schnell einnehmen können, und vielleicht soll ich auch Mitleid mit ihm und ihnen verspüren. Ja, ich habe Mitleid. Sieh sie dir an, Baqet! Hast du schon einmal solch lebende Leichname gesehen? Ich glaube nicht, dass sie eine Gefahr für uns sind, oder?« Baqet schüttelte den Kopf.
    »Ich erblicke unter ihnen keine Soldaten, Majestät, aber vermutlich haben einige unter ihren Umhängen Waffen versteckt. Bei dieser Dunkelheit kann man nichts erkennen.« Ahmose sah sich den traurigen Auszug weiter an. Die Menge kam jetzt rechts und links außer Sicht, eine schwankende, stolpernde Schar, die ihn an Gemälde erinnerte, die Hungeropfer darstellten, nachdem der Nil einmal kein Hochwasser geführt hatte. Aber natürlich sind sie Hungeropfer, dachte er. Nicht weil es keine Überschwemmung gegeben hat, sondern durch meine Belagerung.
    »Schafft ihnen eine Gasse und lasst sie gehen«, sagte er zu Baqet. »Es ist nicht Maat, Halbtote zu ermorden. Sie können uns nichts tun. Stelle Männer zu beiden Seiten der Brücke auf und beobachte sie beim Überqueren. Lass Fackeln holen. Wer Waffen dabeihat, wird festgehalten.« Doch das Aufstellen der Männer wurde von den Menschen am anderen Ufer falsch gedeutet. Erregung machte sich breit, und dann schrie jemand: »Erbarmen, Erbarmen, Männer aus Ägypten! Tut uns nichts! Wir sind doch nichts!« Sie drehten sich um, wollten zum Tor zurück, doch das war von Herausströmenden verstopft. Baqet sprang in Ahmoses Streitwagen.
    »Wir tun euch nichts!«, schrie er, und seine Stimme übertönte das Gekreisch. »Der König hat bestimmt, dass ihr die Stadt ungehindert verlassen dürft. Kommt herüber! Kommt herüber!« Und so brüllte er weiter, bis seine Worte den Aufruhr besänftigen konnten. Ein Mann, beherzter als die anderen, kam zögernd näher, betrat die Brücke und schlich auf ihr entlang. Die Menge beobachtete ihn, und der Lärm verstummte. Als sie ihn im Schein der Fackeln ungehindert durch die Gasse der Soldaten gehen sahen, strömte alles vorwärts und folgte. Die meisten gingen zu Fuß, doch gelegentlich kam ein Karren, in dem sich Einwohner befanden, die alt oder gebrechlich waren. Die Ägypter überprüften sie kaum, einerseits fürchteten sie sich vor ansteckenden Krankheiten, andererseits war klar, auch wenn die Männer noch so viele Waffen mitnahmen, keiner war mehr in der Lage, damit zu kämpfen. Baqet kam zu Ahmose zurück. »Die Esel dürften alle aufgegessen sein«, meinte er. »Ein schrecklicher Anblick, Majestät. Was tun wir mit ihnen?« Ahmose hob die Schultern und richtete den Blick weiter auf den Elendsstrom, der in der Nacht verschwand.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete er. »Sie sind tatsächlich nichts. Die Proviantschreiber können sie unmöglich alle verköstigen. Sie müssen allein zurechtkommen.«
    »Möglicherweise versuchen sie, nach Rethennu zurückzukehren«, meinte Baqet. Ahmose winkte Harchuf und Chabechnet.
    »Rethennu ist für die meisten ein fremdes Land«, sagte er. »Nur das Blut ihrer Vorfahren bindet sie noch daran. Ehrlich gesagt, Baqet, es ist mir einerlei, wohin sie gehen. Sowie der Strom der Hungerleider versiegt ist, führst du die Division über die Brücke und durch die Tore.« Er ging zu seinem Streitwagen.
    Er und sein Gefolge bezogen Stellung, wo sich Kanal und Nebenarm teilten, und dort fanden ihn dann auch die Herolde. Jeder hatte die gleiche Geschichte zu erzählen. Ahmose schickte sie mit dem Befehl fort, die Leute ziehen zu lassen, ehe man versuchte, in eine scheinbar verlassene Stadt einzudringen.
    Dieser Gedanke beunruhigte ihn. Was hatte Apophis wirklich vor? Hatte er gedacht, er würde einem blutdurstigen König die Gelegenheit zu einem Gemetzel rauben? Aber genauso gut hätte er die Menschen diesseits der Mauer abschlachten können. Vielleicht wollte er Ahmose einen schalen Sieg verschaffen. Oder vielleicht war Apophis tot, und seine Söhne hatten in einem Anfall von Verzweiflung die Übergabe der Stadt veranlasst.
    Achtoi und seine Untergebenen brachten Brot, Käse und Trockenobst, und Ahmose und seine Leibwache aßen im Stehen. Kaum hatten sie ihre magere Mahlzeit beendet, da kam ein Offizier mit den Insignien der Osiris-Division und salutierte. »Majestät, die Flüchtlinge verteilen sich zwischen unseren Zelten. Sie nehmen sich alles zu essen, was sie finden können. Unser Proviantschreiber hat

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