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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Narbe hinter seinem Ohr juckte.
    Kurz nach Sonnenuntergang entzündete Achtoi die Lampen und holte das Senet-Brett. Ahmose wollte eigentlich gar nicht spielen, doch trinken und draußen herumgehen wollte er auch nicht, und so versuchten er und sein Haushofmeister, sich zwei weitere Stunden auf das Spiel zu sammeln. Es hatte kosmische Bedeutung, auch wenn man sich damit nur einen Nachmittag lang die Zeit vertrieb. Entsprechend den Feldern, auf welche Kegel oder Rollen gerieten, konnte man an dem Tag Glück oder Pech haben, und Ahmose, der spürte, dass sein Schicksal auf der Kippe stand, fürchtete sich fast davor, die Stäbe zu werfen, die sein Vorgehen bestimmen würden. Hinter dem Zelt schritten die wachhabenden Getreuen auf und ab, doch ihre Schritte klangen dumpf. Drinnen knisterte die Glut in dem kleinen Becken, die Achtoi gegen die nächtliche Kühle entfacht hatte. Nur das rhythmische Klappern der Senet-Stöckchen störte die tiefe Stille.
    Ahmose hatte gerade eine Zwanzig geworfen und wollte seinen letzten Stein vom Brett nehmen, was ihn zum Sieger gemacht hätte, als jemand zum Zelt getrabt kam, von dem Getreuen davor angerufen wurde und sich außer Atem ins Zelt drängte. Keuchend stand er da, hatte die Hände auf die Knie gelegt und ließ den Kopf hängen. »Verzeihung, Majestät«, japste er. »Es waren keine Streitwagen angespannt, ich musste den ganzen Weg laufen.« Ahmose erkannte Amuns Feder auf dem Bronzearmreif, den der Mann trug.
    »Was hat General Turi zu melden?«, blaffte er. Er umklammerte den goldenen Kegel so fest, dass dieser sich in seine Handfläche grub.
    »Auf der Stadtmauer tut sich etwas«, erklärte der Offizier. Er bekam wieder Luft und richtete sich auf. »Männer tauchen auf, nicht viele, aber die Nacht ist dunkel, und sie sind nicht gut auszumachen. Sie haben keine Fackeln dabei.« Achtoi hatte bereits Ahmoses Schwertgurt, Bogen und Köcher von der Truhe geholt. Ahmose schob die Füße in die Sandalen, bückte sich rasch und band sie zu.
    »Geh in die Ställe und richte Fürst Machu aus, er soll jeden Streitwagen anspannen«, befahl er. »Nimm dir einen und fahre zu General Turi zurück. Ich komme sofort.« Ahmose nahm den Gurt und schnallte ihn mit zitternden Händen zu. »Vielleicht war dein Traum ja wahr, Achtoi«, sagte er. Der Haushofmeister reichte ihm den Köcher, und Ahmose zog den Kopf ein und den Lederriemen über der Brust zurecht. »Öffne den Schrein und bete zu Amun, dass es so ist. Auaris ist am Ende.«
    Draußen warf er einen Blick auf den Himmel. Die Getreuen griffen schon zu den Speeren, und Anchmahor tauchte aus dem Dunkel auf. »Wir haben Neumond«, sagte Ahmose besorgt. »Wie können wir, wenn es sein muss, in dieser Dunkelheit kämpfen?«
    »Wenn wir nicht kämpfen können, dann die Setius auch nicht«, meinte Anchmahor. »Wir stehen, glaube ich, vor keiner Schlacht, Majestät. So dumm ist nicht einmal Apophis.«
    »Vielleicht doch, er hat ja Pezedchu nicht mehr, der ihm die Entscheidungen abnimmt«, gab Ahmose zurück. »Du bist der Befehlshaber von Amuns Angriffstruppe, Anchmahor. An die Arbeit! Schicke mir an deiner Stelle Harchuf.«
    Er saß wie auf glühenden Kohlen, während er auf Machu und seinen Streitwagen wartete. Schreie hallten durch die Dunkelheit, gefolgt von dem Gepolter seines erwachenden Heeres. Als sein Streitwagen endlich kam, jäh aus der Finsternis auftauchte, winkte er Chabechnet, er solle hinter ihm einsteigen. »Zieh die Zügel an!«, rief er Machu zu. »Und bringe mich so nah wie möglich an die Stadt!«
    Weit war es nicht bis zum Südwesten von Apophis’ Hügel, doch Ahmose kam die Fahrt wie eine Ewigkeit vor. Schließlich brachte Machu die Pferde zum Stehen, und Ahmose sprang heraus, gefolgt von Chabechnet. Vor ihnen lag der kleinere Nebenarm, ein breiter von Menschenhand geschaffener Graben zweigte vom Hauptfluss ab und schlängelte sich um die Ostseite der Stadt, doch der lag dunkel und friedlich. Zu ihrer Linken verschwand der Hauptnebenarm des Nils in der Nacht.
    Ahmose spähte die Mauer hoch und verwünschte die Dunkelheit. Nichts zu sehen. Nirgendwo bewegten sich Gestalten vor dem matten Schein der Sterne. Die Stadt wirkte, als schliefe sie. Doch überall am Kanalufer rechts von Ahmose stellten sich Baqets Soldaten eilig in Schlachtordnung auf. Tchanni, sein Befehlshaber der Angriffstruppe, trat zu Ahmose und verbeugte sich. »Majestät, sollen wir die Brücken auslegen?«, erkundigte er sich. Eine vernünftige

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