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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Bürgertor. Sein Blick wanderte über die beiden mächtigen Flügel, die jetzt offen standen. Hinter ihnen schien es eine breite Straße zu geben, die durch die überraschend dicke Mauer führte und sich hügelan in der Dunkelheit verlor.
    »Hier bin ich damals auch durchgekommen«, meinte Ramose. »Gleich wird die Straße schmaler und mündet dann in die Straße zum Palast.« Ahmose erwiderte nichts. Er klopfte Machu auf die Schulter, und der Streitwagen setzte sich in Bewegung.
    Die Fackelträger hatten rasch aufgeholt und liefen voraus, um seinen Weg zu erhellen, und im Schein ihrer Fackeln sah Ahmose zu beiden Seiten die dunklen Nischen für die Torwächter. Die Straße dahinter war breit, doch dann engten sie Gebäude ein, Lehmziegelhäuser, die wie betrunken gegeneinander lehnten.
    Das Schweigen war gespenstisch. Keine Ziege, kein Schaf blökte, kein Hund bellte, kein menschlicher Schrei störte. Hier und da lagen Knochen. Zunächst dachte Ahmose angeekelt, es wären Menschenknochen, doch dann machte er die vertrocknete Haut einer Ziege aus, die noch am Rückgrat hing, und merkte, dass es Tierknochen waren. Alles, Ratten, Hunde, Ziegen und Katzen war gegessen worden. Er blickte hoch, ob noch etwas von dem auf den Dächern angebauten Getreide oder Gemüse zu sehen war, aber nein. Chabechnet rümpfte die Nase. »Majestät, der Gestank! Tod und Seuchen und Krankheit!«, brummelte er, und als sich Ahmose halb umdrehte, sah er, dass sich der Mann einen Zipfel seines Schurzes vor die Nase hielt. Auaris stank tatsächlich, eine überwältigende Mischung aus menschlichen Exkrementen, verwesenden Leichen und gekochten Innereien.
    Dann hörte der Wirrwarr schlichter Häuser auf, und sie kamen an schützenden Mauern vorbei, die hier und da von etwas breiteren Gassen durchbrochen wurden. Gelegentlich ließen Sykomoren traurige, fast kahle Äste über die zu ihren Füßen gegrabenen Brunnen hängen. Viele Türen in den Mauern standen offen, und als Ahmose hineinspähte, sah er Reste von einst schönen Gärten, die nur noch aufgewühlte Erde waren. Einige waren vollständig umgegraben, vermutlich für Bestattungen.
    Ramose war ausgestiegen und ging nun neben dem Streitwagen. »Das waren die Häuser der Reichen«, staunte er. »Nichts mehr davon übrig, Ahmose. Sogar die Reichen haben ihr eigenes Gras gegessen. Ihr Götter, sieh dir das an!« Ein Schrein tauchte auf, eigentlich nur ein niedriger Granitpfeiler mit dem Abbild einer barbarischen Setiu-Gottheit, Anath möglicherweise, gemessen an den roh behauenen Brüsten, doch der Sockel hatte sich in eine Grube geneigt, die sich bis zur Straße erstreckte. Aus ihr stieg ein fast unerträglicher Gestank auf, weiße Gliedmaßen durchstießen eine dünne Erdschicht. Damit er sich nicht erbrechen musste, richtete Ahmose den Blick auf die braunen Pferdeflanken vor sich. »Alle tot oder fort«, sagte Ramose leise. »Ich habe Angst vor dem, was wir im Palast vorfinden, Majestät.« Ich auch, dachte Ahmose. Aber solange Apophis noch wie eine Spinne in ihrem zerrissenen Netz hockt, muss ich mich eher freuen als fürchten.
    Eine leichte Brise wehte frischere Luft heran, und Ahmose atmete erleichtert durch. Das unheilvolle Schweigen hörte auch auf, denn das Heer strömte jetzt immer geräuschvoller durch die anderen Tore von Auaris. Machu hielt die Pferde an. Turi und Kagemni hatten sich vereint. Sie grüßten Ahmose und eilten zu ihm. »Was für ein fürchterlicher Ort!«, rief Turi. »Wie muss es hier noch vor den Seuchen und der Belagerung bei so vielen Menschen gestunken haben! Wie konnten sie nur so leben?«
    »Weil sie nicht wie wir sind, darum«, sagte Kagemni. »Als sie die Ratten gegessen haben, da haben sie ihre Verwandtschaft verputzt.« Er schenkte Ahmose ein seltenes Lächeln. »Majestät, es ist vorbei«, sagte er herzlich. »Ägypten ist wieder befreit.«
    »Bist du auf irgendwelche Setiu-Soldaten gestoßen?«, erkundigte sich Ahmose. Sein Blick war über ihre Köpfe zu der Stelle gewandert, wo die Säulen des Sutech-Tempels hochragten und daneben die Mauer einer Kaserne. Turi folgte seinem Blick.
    »Der Tempel war voller Leute, wohl Kranke«, sagte er. »Seine Höfe und Vorsäle liegen noch immer voll Abfall: Strohsäcke, Schüsseln, Tierknochen, Mörser von Ärzten. Dazu ein paar verwesende Leichen. Aber Soldaten, nein. Wir sind in ihre Kaserne gegangen und haben niemanden vorgefunden. Vielleicht sind sie alle in der letzten Schlacht umgekommen. Unsere Männer sind

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