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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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verwundert und voll Vorfreude, dass sich Ahmose für sein instinktives Zurückschrecken vor dieser Begegnung schämte. Er nickte dem Offizier knapp zu.
    »Lass uns jetzt allein«, sagte er.
    Dreizehntes Kapitel
    Weit war es nicht bis zum Frauenflügel. Der war natürlich unweit von Apophis’ Privatgemächern gelegen, und Ahmose stand schon wieder vor einer dicken Flügeltür, noch ehe er sich gefasst hatte. Die Wachposten machten sie für ihn auf. Er hatte das Gefühl, seine Füße steckten in Nilschlamm, doch er zwang sich zum Weitergehen, und Ramose folgte ihm. Die Tür fiel zu.
    Als Erstes beeindruckte ihn die Helligkeit. Zwei goldene Lampenständer trugen Alabasterschalen, die den bezaubernden Raum mit den weichen Läufern, silbergepunzten Zedernholzstühlen, dem niedrigen Ebenholztisch mit Elfenbeinfeldern für Brettspiele und den zierlichen, kleinen Schrein in der Ecke sanft erhellten. »Du hast noch Öl!«, rutschte es ihm heraus. Die Frau, die neben dem Tisch stand, lächelte nicht. Sie hatte sich in einen dicken Wollumhang aus roten, blauen und grünen Stoffvierecken gehüllt, ihre kleinen Füße steckten in kurzen Lederstiefeln, ihr langes Haar war aufgesteckt und von einem Goldnetz gehalten. Sie war geschminkt. Endlich einmal jemand, der so viel Würde besaß, dass er sich weigerte, sich angesichts der Auflösung in betäubenden Weinnebel zu flüchten. Ahmose starrte sie an, und sein Mund war so trocken, dass er nicht schlucken konnte, und sein Herz hämmerte so stark, dass er eine Ohnmacht befürchtete.
    »Selbstverständlich«, sagte sie, und das war Tanis Stimme, ein wenig tiefer als ihre helle Mädchenstimme, ein wenig bewusster und mit hörbar höfischem Akzent. »Und auch Holzkohle für mein Kohlebecken. Als Königin genießt man durchaus Vorteile, Ahmose, vor allem während einer Belagerung. Ich freue mich, dich wieder zu sehen.«
    Er konnte nicht antworten. Dieses vertraute und dennoch völlig fremde Wesen blickte ihn so gelassen an, dass es ihm die Sprache verschlug. »Ich freue mich, dich wieder zu sehen!«, rief sie jetzt, und auf einmal stürzte sie auf ihn zu und ließ dabei den Umhang fallen. Er breitete die Arme aus, und dann umfing er sie, und sein Leib erkannte auf der Stelle ihre angeborene Lebendigkeit, während sie die Wange an seinen Hals drückte und ihm ihre Tränen warm über das Kinn rannen.
    »Tani«, sagte er erstickt. »Tani. Tani. Du bist erwachsen geworden. Ich habe dich kaum erkannt. Wie schön du bist!« Sie lachte und weinte zugleich, drückte ihn an sich, streichelte seinen Rücken, plapperte Unverständliches, doch ihm fehlten noch immer die Worte, obwohl sein Herz schier überfloss. Lange umklammerten sie sich. Als er sie endlich von sich schob, drehte sie sich zu Ramose um. Der hatte mit steif herabhängenden Armen gewartet, doch nun ergriff sie sanft seine Handgelenke und blickte ihm ins angespannte Gesicht.
    »Und du, Ramose. Du lebst. Du lebst! Nachdem du fort warst, habe ich nichts mehr von dir gehört. Ich musste annehmen, dass Kethuna dich in die vorderste Linie der Schlacht geschickt hatte und du tot warst.« Er entzog ihr seine Hände, ergriff ihre und küsste sie, ehe er sie losließ.
    »Er wollte, dass ich sterbe, aber ich habe ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht«, antwortete er mit rauer Stimme. »Kethuna ist umgekommen.«
    »Wie mich das freut.« Sie fasste wieder nach ihrem Bruder, ihre Hand schloss sich um seine. »Erzähle mir alles, Ahmose. Wie geht es Mutter? Lebt Großmutter noch? Und Kamose? Ist er hier im Palast mit dir oder unten am Fluss bei den Soldaten?«
    Sie ahnt nichts, ging ihm auf, während er sich von ihr zu einem Stuhl ziehen ließ. Wir haben zumindest gewusst, dass sie am Leben ist und tatsächlich überaus höflich behandelt wird, aber wie muss das für sie gewesen sein, sie, die nur ihre Einbildungskraft gehabt hat? Er setzte sich, und sie ließ sich ihm gegenüber nieder. »Ramose, komm, setze dich neben mich«, rief sie. Gehorsam zog der einen anderen Stuhl heran und gesellte sich zu ihnen, doch ihre Aufmerksamkeit galt wieder Ahmose. »Dann ist Kamose also der Goldhorus, der Held der Maat«, fuhr sie fort, und es verschlug ihr fast die Sprache. »Er hat gesiegt. Das hat niemand in Auaris für möglich gehalten.«
    Da fand er die Stimme wieder, und während ihre Miene von Wissbegier zu Entsetzen wechselte, erzählte er ihr alles: vom Aufstand der Fürsten, seiner Verwundung und Kamoses Ermordung, vom Tod seines und

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